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Wohnungsnot: Unten Supermarkt, oben Platte

Mit gemischt genutzten Immobilien könnte viel Platz für neue Wohnräume entstehen. Forscherinnen und Forscher der TU Darmstadt und des
Pestel-Instituts haben ausgerechnet, dass allein durch die Dachaufstockung von
Bürokomplexen und Verwaltungsgebäuden bundesweit 560.000 Wohneinheiten
errichtet werden könnten. Das gesamte Potenzial durch Nachverdichtung wie
Aufstocken, Umnutzung und Bebauung von Fehlflächen bezifferten sie auf 2,3 bis 2,7 Millionen Wohnungen.

Für die Studie wurde erfasst, wie viele Gebäude es in Deutschland gibt.
Teils griffen die Wissenschaftlerinnen dabei auf Bebauungspläne und Luftbilder zurück.
Anschließend errechneten sie das Potenzial der Nachverdichtung und
Umnutzung für unterschiedliche Gebäudetypen. Dabei gingen sie von einer
mittleren Wohnungsgröße von 75 Quadratmetern aus. Die Studie wurde von
einem Bündnis aus 16 Verbänden der Bauwirtschaft in Auftrag gegeben.

Allein etwa 400.000 zusätzliche Wohnungen könnten auf den innerstädtischen Flächen
der zwanzig größten Lebensmittel- und Discounterketten
entstehen – ohne dabei Abstriche bei den Verkaufsflächen oder
Parkmöglichkeiten zu machen. “Eingeschossige Discounter
mit ihren Parkplätzen bieten ein enormes Potenzial für zusätzliche
Wohnungen”, sagte Karsten Tichelmann von der TU Darmstadt. “Hier geht es um sehr attraktive Lagen in
Städten”, sagte er weiter. Allerdings müsste dafür viel investiert
werden: Parkplätze und Lagerflächen müssten in den Untergrund verlagert
werden, damit die Markt-Wohnkomplexe entstehen können.

Auch finanzielle Anreize nötig

Selbst
City-Parkhäuser bieten Platz für Wohnungen: Wird das oberste Parkdeck
aufgestockt, geht die Studie von mindestens 20.000 zusätzlichen
Wohneinheiten bundesweit aus. Insgesamt kommen die Wissenschaftler auf
mehr als 1,2 Millionen Wohnungen, die bundesweit durch den Umbau von
Nicht-Wohngebäuden entstehen könnten. Hinzu kämen noch einmal zwischen
1,1 bis 1,5 Millionen Wohnungen, die durch die Dachaufstockung von
vorhandenen Wohngebäuden der Fünfziger- bis Neunzigerjahre möglich wären.

Dass
eine Nachverdichtung notwendig ist, liegt für die Forscher auf der
Hand: “Bundesweit fehlen über eine Million Wohnungen”, sagte der
Leiter des Pestel-Instituts, Matthias Günther. Derzeit müssten jährlich
bundesweit rund 400.000 Wohnungen neu gebaut werden. Tatsächlich waren
es demnach vergangenes Jahr aber weniger als 300.000. Der Wohnungsmangel betrifft vor allem die großen Städte. Doch selbst dort, wo der
Bedarf hoch ist, seien die Reserven nach wie vor riesig.

Die
Verbände leiten aus der Studie diverse Forderungen an die Politik ab.
Notwendig seien Weiterentwicklungen im Bau- und Planungsrecht. So
müssten bei der Aufstockung etwa die Vorschriften für Geschossflächen
und die Höhe von Traufen und Firsten flexibler gehandhabt werden. Zudem
sollten die Anforderungen für Autostellplätze gelockert werden.

Schließlich
fordern die Verbände auch finanzielle Anreize. Beispielsweise sollten
die durch Nachverdichtung oder Umnutzung entstandenen Wohnungen
schneller abgeschrieben werden dürfen. Außerdem sollte es mehr
Investitionszulagen und Förderprogramme dafür geben.

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