/USA und Nordkorea: Kim will vor allem am Leben bleiben

USA und Nordkorea: Kim will vor allem am Leben bleiben

Während Kim Jong Un gerade aus seinem gepanzerten Zug in Hanoi aussteigt,
haben sich vier Flugstunden nördlich auf dem Seouler Gwanghwamun-Platz mehrere Dutzend nordkoreanische Flüchtlinge versammelt: Mit entschlossener Miene und
martialischen Schlachtrufen halten sie das durchgestrichene Konterfei des
nordkoreanischen Machthabers in die Luft, bevor sie ihre Plakate vor den Kameras
der Fernsehteams in Stücke zerreißen.

“Die USA haben ihre einstigen Sklaven befreit, heute führen sie die
freie Welt an”, schreit Kim Seong-min ins Mikrofon. Nun jedoch, so fügt er
enttäuscht an, würde sich ausgerechnet US-Präsident Donald Trump mit ebenjenem
Despoten treffen
, der seine eigene Bevölkerung versklavt. Der 47-jährige Aktivist
weiß um die Wirkung seiner theatralischen Inszenierung: Vor seiner Flucht Ende
der Neunzigerjahre diente er in Pjöngjang im Propagandaministerium. Nun
kämpft er erbittert gegen das Regime seiner einstigen Heimat. 

Dort, in Nordkorea, sind spontane Demonstrationen freilich verboten, bislang sind keine
nennenswerten Fälle politischer Opposition aus dem Land bekannt. Der 35-jährige
Kim Jong Un regiert nun mittlerweile seit sieben
Jahren diktatorisch über das Land, nachdem sein Vater Kim Jong Il im Dezember 2011
verstorben
war. In Deutschland entspräche dies nahezu zwei Legislaturperioden:
Ein klarer Beleg dafür, dass Kim junior seine Macht längst konsolidiert hat.

Vietnam – Kim Jong Un reist mit Zug zum Trump-Treffen
Der nordkoreanische Machthaber wird in Hanoi US-Präsident Donald Trump treffen. Beim zweiten Treffen der Staatschefs soll es auch um eine atomare Abrüstung Nordkoreas gehen.

© Foto: Minoru Iwasaki

400 Kader ließ Kim entfernen

Ein jüngster Bericht der Denkfabrik North Korea
Strategy Center in Seoul deutet jedoch auf Risse innerhalb Pjöngjangs
Elite hin: Einer Säuberungsaktion von Ende letzten Jahres sollen rund 50 bis 70
Nordkoreaner zum Opfer gefallen sein. Diese habe Kim Jong Un zu Teilen ins Exil
geschickt, verhaften oder gar hinrichten lassen. “Der Grund ist simpel: weil diese Leute massenhaft Geld angehäuft haben. Kims Regime gerät im Zuge der
Sanktionen in Bedrängnis, Auslandsdevisen heranzuschaffen”, sagt Ruby Woo,
Forscherin der NGO. 

Unabhängig überprüfen lässt sich ihre Behauptung nicht, doch methodisch
fußt der Bericht der von nordkoreanischen Flüchtlingen geleiteten Organisation auf
einer soliden Recherche: Insgesamt 14 hochrangige Überläufer des Regimes und
fünf weitere Flüchtlinge aus dem einfachen Volk wurden von der NGO interviewt.
Zudem wurde heimlich mit sechs aktiven Parteikadern Nordkoreas gesprochen, die
sich auf einer Geschäftsreise in China befanden.  

Tatsächlich gibt es unter Kim Jong Un immer
wieder Säuberungswellen, insgesamt soll er bis zu 400 Nordkoreaner aus dem politischen
Machtbereich verbannt haben. Für boulevardeske Schlagzeilen sorgte vor allem die
brutale Hinrichtung seines eigenen Onkels Jang Song Thaek im Dezember 2013,
damals zweitmächtigster Mann des Landes, sowie der Giftanschlag auf seinen
Halbbruder Kim Jong Nam
am Flughafen Kuala Lumpur vor zwei Jahren.

Die jüngste Rochade ist jedoch insofern
besonders, als dass sie mutmaßlich Teil einer groß angelegten
Antikorruptionsstrategie ist. Zuletzt hatte Kim in seiner Neujahrsrede
überraschend offen über die grassierende Korruption gesprochen, die “das
sozialistische System unterlaufen” würde. Dies deckt sich auch mit dem
Korruptionsindex von Transparency International, deren Rangliste Nordkorea
Jahr für Jahr anführt.

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