/Artenvielfalt: Die Spinne, die im Bambus lebt

Artenvielfalt: Die Spinne, die im Bambus lebt

48.000 – so viele Arten von Webspinnen sind weltweit in etwa bekannt. Nicht nur, dass jedes Jahr einige aussterben. Es kommen auch neue hinzu. Entweder werden sie erst noch eingesammelt, oder aber Vertreterinnen ihrer Art lagern bereits in den Archiven naturkundlicher Museen, bis ein Spezialist oder eine Spezialistin Zeit – und Forschungsgelder – findet, um sie eindeutig zu bestimmen.

Peter Jäger ist so ein Spezialist. Sein Fachgebiet sind Spinnen, besonders die Riesenkrabbenspinnen. Aus dieser Familie hat der Arachnologe nun vier neue Arten beschrieben. Eine der Neuentdeckungen zeigt eine überraschende Spezialisierung: Die Spinne lebt in den Bambushalmen Asiens, wie das Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt, an dem Jäger arbeitet, bekannt gab. Die Art ist erst die zweite bekannte Spinne überhaupt, deren Ökologie an Bambus geknüpft ist. Die Studie dazu ist im Fachjournal Zootaxa (Jäger, 2019) erschienen.

Bambus hat besonders in Asien eine große ökologische, ökonomische und kulturelle Bedeutung. Das verholzende Riesengras dient beispielsweise als regionaler Lieferant für den Möbel- und Hausbau, für die Produktion von Textilien oder als Brennmaterial. Auch in der Tierwelt spielt Bambus eine bedeutende Rolle. “Mein Kollege Dr. Damir Kovac untersucht schon seit vielen Jahren tierische Lebensgemeinschaften, die in Südostasien mit Bambus assoziiert sind. Bei seinen Forschungsreisen fielen ihm auch immer wieder Spinnen auf, die das Gewächs als Einzimmerappartement nutzen”, sagte Jäger.

In der Regel sägen wir Spinnenforscher keine Bambusstängel auf

Peter Jäger, Arachnologe und Entdecker einer Bambusspinne

Immer wieder überprüfen Zoologinnen und Zoologen – auch anhand genetischer Analysen und mithilfe anderer moderner Bestimmungstechniken – die Systematik bestimmter Klassen, Ordnungen, Familien und Gattungen. Peter Jäger hatte im Zuge einer Revision der Spinnengattung Rhitymna einige Arten erneut genau untersucht. So konnte er die Bambusbewohnerin als bisher unbeschriebene Art identifizieren. “Die ungewöhnliche Lebensweise der Spinne – im Inneren von Bambushalmen – hat wohl bisher verhindert, dass wir die Art entdecken konnten. In der Regel sägen wir Spinnenforscher keine Bambusstängel auf.”

Bislang sind zwei Fundorte der neu entdeckten Riesenkrabbenspinne bekannt: im Norden Thailands und in der Nähe von Kuala Lumpur in Malaysia. “Die Fundpunkte liegen etwa 1.800 Kilometer auseinander”, berichtet das Senckenberg-Institut. Es sei daher anzunehmen, dass die Spinnenart noch weitere Gebiete mit Bambus bewohne, aber dort bisher einfach übersehen wurde.

Bambus Spinne Riesenkrabbenspinne

Eine Riesenkrabbenspinne, spezialisiert auf ein Leben im Bambusrohr
© Senckenberg

Die eigentliche Überraschung liegt für Jäger in der Spezialisierung der Spinne auf die hohlen Halme. Um in die stabilen Verstecke zu gelangen, sind die Achtbeiner nämlich auf die Hilfe ihrer tierischen Nachbarn angewiesen: Der Bambusspecht hilft durch seine Tätigkeit dabei genauso wie aus dem Bambusinneren schlüpfende Käfer. Als Larve ernähren sich Letztere vom schwer verdaulichen Pflanzenmaterial, verpuppen sich und beißen sich als ausgewachsene Käfer den Weg in die Freiheit. “Ein Glück für die Spinnen, die anschließend das schützende Innere besiedeln können, welches sie nur nachts zur Jagd verlassen”, erklärt der Spinnenforscher.

Die neue Spinnenart bekam den lateinischen Namen Rhitymna gerdmangel. Jäger ehrt damit den Senckenberg-Bauleiter Gerd Mangel. Die weiteren Neuzugänge in der Spinnensystematik sind zwei indonesische Arten – von den Inseln Bali (Rhitymna merianae) und Flores (R. flores)  sowie eine von den Philippinen (R. senckenbergi).

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