/Mahershala Ali: Ein Schritt zurück nach vorn

Mahershala Ali: Ein Schritt zurück nach vorn

Es ist ein merkwürdiges Lächeln, mit dem der Pianist Don Shirley den
Applaus des Publikums entgegennimmt. Nach einer Sekunde des Innehaltens taucht
es unversehens und brüsk in seinen Zügen auf. Es zieht sich breit über sein
Gesicht, verrät jedoch keine Genugtuung oder Dankbarkeit. Vielmehr mutet es
gestellt an, ja maskenhaft. Was tatsächlich in dem Moment des Triumphs in dem Mann vorgeht, verrät es nicht.

Denn Don Shirley, für dessen Darstellung in Green Book Mahershala Ali einen Oscar als bester Nebendarsteller gewonnen hat, bewegt sich durch
Feindesland. Die Tournee, die der schwarze Pianist 1962 durch die Südstaaten
unternimmt, ist ein Wechselbad aus Ehrerbietung und Diskriminierung. Er erfährt
als Musiker eine Wertschätzung, die in krassem Gegensatz zu der Zurücksetzung
steht, die ihm als Bürger zweiter Klasse widerfährt. Shirley wappnet sich
dagegen. Dem Publikum, den heuchlerischen Gastgebern und seinem Chauffeur Tony
(Viggo Mortensen) tritt er hoheitsvoll gegenüber. Er besitzt das Talent zum klassischen Pianisten, aber seine Plattenfirma drängt ihn
in die Rolle des populären Unterhalters.

Es liegt eine Härte in seiner Stimme, die erst gegen Ende
jener warmen, samtigen Diktion weicht, die man bisher von diesem Schauspieler
kannte. Immer wieder setzt Mahershala Ali in Green Book ein Zögern, eine
Pause, bevor er zu sprechen beginnt. Die Ruhe und huldvolle Gelassenheit, mit denen
dieser Don Shirley in der Öffentlichkeit auftritt, sind augenscheinlich enormer Selbstbeherrschung geschuldet.
In jeder Begegnung, jedem Gespräch droht ein Machtkampf auszubrechen. Die
Noblesse, die der Schauspieler Ali in diese Konfrontationen legt, lässt fast
übersehen, wie erbittert sie sind.

Dafür hat er nun seinen
bereits zweiten Oscar
erhalten, nach dem für seine schauspielerische Leistung in Moonlight. Falls Ali es als Demütigung empfunden haben sollte, im
Gegensatz zu seinem Partner Viggo Mortenson lediglich in der Kategorie Bester
Neben- und eben nicht Hauptdarsteller nominiert gewesen zu sein, ließ er sich das nicht anmerken.
Er dankte seiner Großmutter, die ihn inspiriert und ihm Mut zugesprochen habe. Mit der
Familiengeschichte des 45-Jährigen, der als Mahershalalhashbaz Gilmore geboren wurde, ist das Publikum mittlerweile aus den
zahllosen Dankesreden, die er seit seinem Durchbruch in Moonlight halten durfte, ohnehin gut vertraut. Als er für diesen Film vor zwei Jahren seinen ersten Oscar entgegennahm, dankte er seiner Frau, die wenige Tage zuvor das erste gemeinsame Kind zur Welt gebracht hatte. Bei anderen Preisverleihungen erzählte Ali von seiner
Mutter, einer ordinierten Pfarrerin, die ihm den längsten Vornamen gegeben habe, der in der
Bibel erwähnt sei.

Ali ist ein Symbol, als Schwarzer wie als Muslim

Mahershala Ali ist im Jahr 2000 zum Islam konvertiert, weshalb er nach dem 11.
September 2001 vom FBI lange Zeit überwacht
wurde. Als afroamerikanischer Muslim war er gleich doppelter Diskriminierung
ausgesetzt. Und als erster Oscarpreisträger mit diesem Hintergrund ist er nun eine
prächtige Zumutung für den konservativen Teil des US-Publikums. Sein mittlerweile großer Erfolg als
Schauspieler lässt sich so auch symbolisch betrachten: Er kündet von vielen
Barrieren, die weiter existieren in der amerikanischen Gesellschaft, und von deren möglicher Überwindung.

Denn dieser Erfolg ließ lange auf sich warten. Nach Dutzenden
Kino- und Fernsehrollen wurde Ali erst ab 2013 in der Rolle des Washingtoner Lobbyisten Remy Danton wirklich bekannt, der im Laufe
der Netflix-Serie House of Cards allmählich so etwas wie ein Gewissen entdeckt. Wie
sehr ihm Figuren liegen, die sich dynamisch entwickeln können, bewies er dann in Moonlight. Dort unterläuft Ali die Klischees, die üblicherweise der Kinofigur
des schwarzen Drogenhändlers anhaften. Die massive physische Präsenz, mit der
er da die Leinwand dominiert, erschöpft sich nicht in der Behauptung seines
geschäftlichen Terrains. Ali lässt sie zum Unterpfand einer wuchtigen, jovialen
Fürsorglichkeit werden. Seine Figur des Exilkubaners Juan nimmt den Jungen Chiron unter
seine Fittiche, der in der Schule ein Außenseiter ist und spürt, dass er schwul
sein könnte. Juan lehrt seinen Schützling, stolz auf die eigene Identität zu
sein. Dass diese Figur der Ermutigung Chirons Mutter Drogen verkauft, ist eine
Ambivalenz, die das Publikum aushalten muss. Ali markiert sie mit einer Choreografie der
zugewandten und dann wieder ausweichenden Blicke.

Hits: 37