/Gender-Pricing : “In Extremfällen zahlen Frauen doppelt so viel wie Männer”

Gender-Pricing : “In Extremfällen zahlen Frauen doppelt so viel wie Männer”

Wer im Drogeriemarkt vorwiegend rosafarbene Flaschen und Schachteln aufs Band legt,
könnte ein Opfer des Gender-Pricing geworden sein. Frauen zahlen
drauf für Produkte, die Männern deutlich günstiger angeboten werden. Die Verbraucherzentrale Hamburg stellt am Dienstag mit einer Pop-up-Aktion im
Schanzenviertel deshalb eine eigene Produktlinie vor. In der Boutique B-Lage, Kampstraße 11, wirbt sie ab
11 Uhr unter dem Motto “Pink Tax” für einen kritischeren Blick. Armin
Valet von der Verbraucherzentrale erklärt, wie Hersteller ihre Kundschaft austricksen und wieso viele
darauf reinfallen.

ZEIT ONLINE: Man
kennt den Gender-Gap, das Gender-Mainstreaming – was ist nun Gender-Pricing?

Armin Valet:
Gemeint ist, dass sehr ähnliche Produkte für Frauen und Männer zu jeweils unterschiedlichen
Preisen angeboten werden. Diese Produkte sind inhaltlich fast gleich, trotzdem
stellen wir erhebliche Preisdifferenzen fest – in Extremfällen zahlen Frauen
doppelt so viel wie Männer. Wir haben uns dazu vor allem Drogerieartikel
angesehen, es kommt aber auch bei Dienstleistungen vor, beim Frisör zum
Beispiel oder in der Wäscherei.

ZEIT ONLINE: Liegt
das womöglich daran, dass etwa ein Damenhaarschnitt aufwendiger ist als einer für
Männer?

Valet: So
argumentieren die Anbieter oft. Wir können das auch nachvollziehen, wenn es da
tatsächlich Unterschiede gibt oder zusätzliche Dienstleistungen in Anspruch
genommen werden. Aber warum sollte es für Frauen, die kurze Haare haben, andere
Preise geben als für Männer? Oft ist es so, dass Frauen prinzipiell mehr
bezahlen sollen als Männer. Wir wollen aber eine Art Grundversorgung für alle,
bei der nicht schon vorab im Preis unterschieden wird. Das ist ein Anliegen,
das auch viele Frauen an uns herangetragen haben.

ZEIT ONLINE: Welches
Produkt ist denn im Test besonders aufgefallen?

Valet: Eklatant
sind die Unterschiede bei Rasierprodukten. Das fängt an bei Einwegrasierern,
die genau baugleich sind, und geht weiter bei Rasierschaum mit denselben
Inhaltsstoffen. Da ist dann nur die Verpackung anders. Auch bei Parfüm gibt es
Produkte “for women” oder “for men”, die sich erheblich im Preis unterscheiden.

 

Gender-Pricing: Armin Valet ist Referent bei der Verbraucherzentrale Hamburg. Für die Pop-up-Aktion zum Thema Gender-Pricing arbeiteten er und seine Kollegen mit der Agentur Serviceplan Campaign International zusammen.

Armin Valet ist Referent bei der Verbraucherzentrale Hamburg. Für die Pop-up-Aktion zum Thema Gender-Pricing arbeiteten er und seine Kollegen mit der Agentur Serviceplan Campaign International zusammen.
© Karin Gerdes

ZEIT ONLINE: Sind
das Einzelfälle, oder zahlen Frauen für Drogerieartikel grundsätzlich drauf?

Valet: Man kann
nicht sagen, dass wir quer durch den Drogeriemarkt Preisunterschiede haben. Es
gibt viele Produkte, die nicht so geschlechtsspezifisch angeboten werden. Und
natürlich fühlt sich nicht jede Frau von einem rosa Etikett angesprochen. Aber es
kommt doch sehr häufig vor, dass es in Drogerien Bereiche für Männer und
Bereiche für Frauen gibt. Deshalb sind auch die Unterschiede oft nicht klar,
weil die Produkte nicht nebeneinander liegen.

ZEIT ONLINE: Die
Märkte und Hersteller tricksen also ihre Kundschaft aus?

Valet: Wir haben
schon den Eindruck, dass versucht wird, diese Preisdifferenzen zu kaschieren.
So werden bei Artikeln, die sich an Frauen richten, oft kleinere Mengen zum
selben Preis wie beim Männerprodukt angeboten.

ZEIT ONLINE: Wie
sehen Produkte für Frauen typischerweise aus?

Valet: Die
“weiblichen” Verpackungen sind meistens in Signalfarben wie Rosa oder Rot
gestaltet. Bei den Männern ist es klassischerweise Blau. Das ist das
Hauptmerkmal, aber wir merken es auch beim Wording. Da steht zum Beispiel beim
Rasierer “mit Aloe Vera”, bei den Männern “mit Chrom veredelt” – obwohl die
Rasierer genau identisch sind, nur ist der Griff entweder rosa oder blau. Beim
Rasierschaum ist einerseits von der “schonenden, pflegenden Nassrasur” die Rede,
andererseits von der “belebenden Rasur mit dem ultimativen Frische-Kick”.

ZEIT ONLINE: Und
mit solchen Maschen lassen sich Frauen das Geld aus der Tasche ziehen? Das
klingt schon sehr einfach.

Valet: Wir sagen
nicht, dass Frauen das nicht kapieren. Man muss bedenken, wie die Waren
angeboten werden. Oft sind die spezifischen Gestaltungselemente subtiler. Man
weiß aus Studien, dass Frauen bereit sind, für Pflege und Kosmetik mehr Geld
auszugeben – das nutzen die Hersteller aus. Und nur wenige Frauen gehen rüber
in den Männerbereich und vergleichen die Produkte.

ZEIT ONLINE: Kommt
es auch vor, dass Männer für ihr Produkt mehr zahlen, nur weil es blau ist und
Action verspricht?

Valet: Wir haben
eine relativ kleine Stichprobe gemacht. Es gibt aber eine größere Studie der
Antidiskriminierungsstelle des Bundes
, die zeigt, dass im Dienstleistungssektor manchmal auch Männer mehr zahlen –
zum Beispiel auf Datingportalen. Auch in Discos gibt es diese Diskriminierung,
dass Männer Eintritt bezahlen müssen und Frauen umsonst reinkommen.

ZEIT ONLINE: Was
folgt aus Ihren Erkenntnissen?

Valet: Zunächst
appellieren wir an die Händler und Hersteller, mit diesem Gender-Pricing
aufzuhören. Streng genommen ist eine Diskriminierung verboten. Rein rechtlich
ist da allerdings kaum ranzukommen. Denn es gibt ja keinen Zwang, die
entsprechenden Produkte zu kaufen. Einer Frau ist unbenommen, sich für das
günstigere in Blau zu entscheiden. Aber das allein auf die Kundinnen abzuwälzen,
ist aus unserer Sicht nicht der richtige Weg – und bei Parfüms beispielsweise
auch gar nicht möglich.

Dies ist ein Artikel aus dem Hamburg-Ressort der ZEIT. Hier finden Sie weitere News aus und über Hamburg.

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