/Feinstaub: “Diese Komfortöfen sind ein wachsendes Problem”

Feinstaub: “Diese Komfortöfen sind ein wachsendes Problem”

Etwa sieben Monate lang haben Nils Casjens und Lucas
Stratmann an ihrer Dokumentation “Was atmest du?” gearbeitet, die am Montag um 21
Uhr im NDR ausgestrahlt wird. 5.000 Zuschauer in ganz Norddeutschland wollten
bei der Messung der Stickstoffdioxidwerte an ihrem Wohnort mithelfen, etwas mehr als 1.000 Teströhrchen
– ähnlich jenen, die auch die ZEIT:Hamburg im Oktober für ihren Lufttest verwendet hatte
– wurden verschickt. Die Resultate können auf dieser Karte eingesehen
werden. Doch die beunruhigendsten Luftverschmutzungswerte haben die beiden
Journalisten in geradezu verkehrsarmen Wohngebieten gemessen:  dort, wo
Holzöfen in Betrieb waren.

ZEIT ONLINE: Sie
haben für Ihre Dokumentation die NDR-Zuschauer Stickstoffdioxid an ihren
Wohnorten messen lassen. Welche neuen Erkenntnisse haben Sie aus dieser Aktion
gewonnen? 

Lucas Stratmann: Von
den rund 1.000 Messröhrchen haben wir knapp 100 in Hamburg verteilt. Hier war
das Interesse besonders groß. Erhöhte Stickstoffdioxidwerte haben wir in
einigen norddeutschen Städten gemessen, darunter Hannover, Bremen und Lübeck,
aber die 13 Grenzwertüberschreitungen waren alle in Hamburg.

ZEIT ONLINE: Die
Teilnehmer sollten die Röhrchen an ihren Wohnstraßen anbringen. Dass die Luft
in der Nähe von starkem Autoverkehr schlecht ist, ist aber nichts wirklich
Neues.

Stratmann: In
Hamburg wird an 16 behördlichen Messstationen Stickstoffdioxid gemessen. Die
stehen meist an den dreckigsten Stellen. Aber die Menschen wollen ja
wissen, wie die Luft konkret vor ihrer Haustür ist. Die Ergebnisse unserer
Messaktion haben gezeigt, dass auch an den kleineren Straßen in der Innenstadt,
die eher Wohnstraßen sind, die Werte fast überall über 20 Mikrogramm liegen.
Das ist schon ein erhöhter Wert!

ZEIT ONLINE: Welcher
Wert hat Sie besonders überrascht?

Stratmann: Die Landungsbrücken
lagen mit 149 Mikrogramm fast viermal über dem Grenzwert von 40 Mikrogramm,
aber es ist bekannt, dass dort die Luft schlecht ist. An der Friedensallee
in Ottensen haben wir jedoch 34 Mikrogramm gemessen, und das ist keine
Straße, durch die der Stadtverkehr durchgeleitet wird. Noch dazu war der
November ein Monat mit vergleichsweise niedrigen Werten.

ZEIT ONLINE: Sie
haben aber auch, wie das die ZEIT:Hamburg 2017 schon einmal getan hat, die
Ultrafeinstaubwerte gemessen, und zwar unter anderem in einem kleinen Ort im
Harz. Dort haben Sie im Freien 20.000 Partikel pro Kubikzentimeter Atemluft vorgefunden,
verursacht von Holzöfen. Sind diese Werte nicht viel beunruhigender als die
Stickoxide?

Stratmann: Ja, denn
zum einen wissen wir aus Gesprächen mit Toxikologen und Epidemiologen, dass Ultrafeinstaub
sogar als schädlicher eingestuft wird als Stickstoffdioxid. Zum anderen stammt
er aus vielfältigeren Quellen, nicht nur dem Autoverkehr, sondern auch der Landwirtschaft, der Tiermast, aber eben auch aus den Komfortkaminen.

“Da könnte man eigentlich auch gleich rauchen”

ZEIT ONLINE: Haben
Sie auch in Blankenese gemessen?

Stratmann: Dort
nicht, aber es ist völlig klar, dass ein Holzofen mit veralteter Filteranlage sofort
erhöhte Belastungen durch Ultrafeinstaub auslöst. Diese Komfortöfen sind ein wachsendes
Problem. 

ZEIT ONLINE: Schornsteinfeger
und Hersteller sagen dann immer, die neueren Öfen würden weniger Feinstaub
erzeugen, und man müsse einfach nur richtig heizen können. Stimmt das?

Stratmann: Man
misst eine Verbesserung, es werden dann weniger Schadstoffe ausgestoßen. Aber
wir haben für den Film bei einer Familie gedreht, die einen erst fünf Jahre
alten Ofen mit geschlossener Verbrennung hatte. Das Holz war trocken und wurde
von oben angezündet. Die Kamintür wurde immer nur zum Nachlegen geöffnet. Sogar
bei denen im Wohnzimmer waren es schnell über 200.000 Partikel. An der Alster
waren es sogar direkt an der Straße, zum Vergleich, nur etwa 9.000.

Lucas Stratmann ist freier Autor für den NDR. Die Dokumentation “Was atmest du?” hat er gemeinsam mit seinem Kollegen Nils Casjens gedreht.
© Lucas Stratmann

ZEIT ONLINE: Ihr
Kollege kommentiert das im Film mit “Da könnte man eigentlich auch gleich rauchen”.
Wieso sprechen dann alle nur über die Stickoxide?

Stratmann: Gute
Frage. Zum einen ist der Fokus durch die Dieseldebatte auf das Stickstoffdioxid
geraten. Zum anderen ist der Feinstaubausstoß im Straßenverkehr durch die
Nachrüstung mit Filtern stark runtergegangen. An den meisten Stationen gibt es
keine Grenzwertüberschreitungen mehr. Das Bewusstsein muss aber steigen, dass
eben nicht nur der Hafen und der Verkehr die Luft verschmutzen, sondern, dass
das jeder mit seinem Holzofen sein kann. Und wie viele Menschen wohnen am
Hafen, und wie viele in einem Wohngebiet, wo jeder zweite Haushalt von Oktober
bis April seinen Kaminofen beheizt?

ZEIT ONLINE: Sollte die Stadt hier einschreiten?

Stratmann: Das
ist auch ein Stück weit Bürgerpflicht. Wir wollen niemandem seinen Ofen madig
machen. Aber das ist ein Problem, das in der Öffentlichkeit meiner Meinung nach
zu wenig diskutiert wird. Man muss sich fragen: Brauche ich wirklich einen
Kaminofen? In Deutschland erzeugen Holzöfen pro Jahr mehr Feinstaub als alle
PKW und LKW zusammen.

ZEIT ONLINE: Gegen
die Luft, die man atmet, kann man sich nicht wehren. Was wären denn konkrete
Forderungen für Hamburg, um hier endlich etwas zu ändern?

Stratmann: Wir
haben ja auch das Umweltbundesamt mit dieser Frage konfrontiert. Die sagen: Wir
wissen, woher das kommt, wir wissen, wenn ein Holzofen brennt, wird da
Ultrafeinstaub ausgestoßen. Man müsse sich eher um Maßnahmen kümmern. Unser
Anliegen war, durch den Film mehr Bewusstsein zu schaffen. Sobald Rauch
oder Qualm aus einem Schornstein kommt, wird dort Holz verbrannt. Man riecht das
ja auch. Die Konzentration von Luftschadstoffen nimmt mit dem Abstand zur
Quelle stark ab, je näher ich dran bin, umso gefährdeter bin ich. Deswegen sind
im Containerhafen weniger Leute direkt betroffen als in Wohngebieten.

Dies ist ein Artikel aus dem Hamburg-Ressort der ZEIT. Hier finden Sie weitere News aus und über Hamburg.

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