/Kurden: “In Deutschland kommen die IS-Leute zu schnell wieder frei”

Kurden: “In Deutschland kommen die IS-Leute zu schnell wieder frei”

Im Streit um die im Nahen Osten
gefangenen Dschihadisten aus dem Westen plädieren irakische
Kurden-Politiker für eine andere Vorgehensweise. “Wer bei uns
zum Täter wurde, sollte bei uns angeklagt und verurteilt werden”,
sagte der hohe PUK-Funktionär Rawand Mulla Mahmoud dem Tagesspiegel.
“Darunter sind schließlich Mörder, die hier viele Männer,
Frauen und Kinder getötet haben.” Kurden aus Syrien, Irak und
der Türkei galten im Kampf gegen den “Islamischen Staat”
(IS) als besonders entschlossen.

Die sozialdemokratisch orientierte PUK gehört in
Irakisch-Kurdistan zur Regierung und ist auch in Syrien gut vernetzt.
“In der Autonomen Region Kurdistan im Irak haben wir immerhin
die Möglichkeit, diesen IS-Leute den Prozess zu machen”, sagt
Mahmoud. Traditionell bildet die PUK zusammen mit der konservativen
PDK die international anerkannte Regionalregierung im
irakisch-kurdischen Erbil. Sie stützt sich auf Peschmerga genannte
Milizen, denen auch Aramäer und Jesiden angehören.

Syrische Kurden plädieren für UN-Sondertribunal

Allerdings sitzen die meisten Dschihadisten aus dem Westen derzeit
nicht in Irakisch-Kurdistan, sondern in der Rojava genannten
Kurdenregion in Syrien in Haft. Die dort regierende PYD bittet die
Heimatländer der mutmaßlichen IS-Leute darum, ihnen die Gefangenen
abzunehmen – also auch Deutschland. Dies sei “außerordentlich
schwierig”, sagte Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD). Anders
als die USA und Frankreich erkennt Deutschland auf türkischen Druck
hin Syriens Kurdenführung nicht an. Die syrischen Kurden riefen nun
die Vereinten Nationen auf, einen internationalen Sondergerichtshof
für IS-Kämpfer einzurichten.

“Für das
syrische Rojava mag das sinnvoll sein. Wir aber haben gute
Beziehungen zu Deutschland”, sagte PUK-Spitzenmann Mahmoud, “und
könnten beispielsweise tätig werden, wenn die in Syrien gefangenen
IS-Leute auch bei uns im Irak aktiv waren.” Tatsächlich ist
wahrscheinlich, dass zahlreiche IS-Kämpfer in beiden Ländern im
Einsatz waren: Das einstige IS-Herrschaftsgebiet umfasste Regionen
beider Staaten, außerdem galt das irakische Mossul bis 2016 als
eines der wichtigsten Zentren des IS.

Die Bundesregierung lässt nur vereinzelt deutsche Gefangene aus
Irakisch-Kurdistan ausfliegen. “Doch besteht in Deutschland die
Gefahr”, sagte Mahmoud, “dass die IS-Leute schneller wieder
frei wären als bei uns.” In der Kurdischen Autonomieregion in
Irak ziehe das Urteil “lebenslang” eine höhere Strafe nach
sich als die in Deutschland üblicherweise verhängten Strafen.
Während im Zentralirak verurteilte IS-Mitglieder oft hingerichtet
werden, gilt in der kurdischen Autonomieregion ein Hinrichtungsstopp.

Die Kurdengebiete sind die am ehesten funktionierenden Gebiete

Irak und Syrien sind zersplittert, als am ehesten funktionierende
Regionen gelten dort jeweils die Kurdengebiete. Die US-Regierung
unterstützt anders als die Bundesregierung nicht nur die Kurden im
Irak, sondern auch die in Syrien. Die PUK stellt den Vizepremier in
der irakisch-kurdischen Hauptstadt Erbil und ist zudem im
gesamtirakischen Parlament in Bagdad vertreten. Rawand Mulla
Mahmoud ist Vize-Chef der PUK in der Ölstadt Kirkuk, um die sich
Bagdad und Erbil streiten.

Auf dem Höhepunkt
seiner Macht kontrollierte der IS ein Gebiet, das fast vom syrischen
Aleppo bis kurz vor Kirkuk reichte. Heute verschanzen sich noch
einige Hundert IS-Männer im syrisch-irakischen Grenzgebiet. Am
Freitag haben kurdische Kämpfer der von den USA unterstützen
Syrisch-Demokratischen Kräfte (SDF) dort die letzten Zivilisten aus
dem Ort Baghouz eskortiert. Allerdings bestätigten kurdische
Aktivisten, was der US-Sender CNN meldete: Bis zu 1000 IS-Kämpfer,
die womöglich bis zu 200 Millionen US-Dollar Bargeld mit sich
führen, sollen sich im Westirak verstecken. Dort versuchen sowohl
die irakische Armee, als auch mit ihr verbündete schiitische Milizen
sowie die kurdischen Peschmerga, die Dschihadisten zu finden.

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