/Katholische Kirche: Reinhard Marx prangert Machtmissbrauch in der katholischen Kirche an

Katholische Kirche: Reinhard Marx prangert Machtmissbrauch in der katholischen Kirche an

Der
Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx,
hat eine Aufarbeitung von Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche gefordert. Beim Antimissbrauchsgipfel im Vatikan kritisierte
Marx offen Vertuschung und Machtmissbrauch, besonders in der Verwaltung.

“Akten, die
die furchtbaren Taten dokumentieren und Verantwortliche hätten
nennen können, wurden vernichtet oder gar nicht erst erstellt”,
sagte er. Nicht die Täter, sondern die Opfer seien “reglementiert”
und ihnen sei “Schweigen auferlegt” worden. “Festgelegte
Verfahren und Prozesse zur Verfolgung von Vergehen wurden bewusst
nicht eingehalten, sondern abgebrochen oder außer Kraft gesetzt”,
kritisierte Marx in seinem Vortrag. Ihm zufolge seien nun Fakten und
Offenheit nötig.

Nicht
Transparenz, sondern Taten und deren Vertuschung fügten der Kirche
Schaden zu, sagte Marx vor Papst Franziskus und anderen
Teilnehmern des Spitzentreffens. Der Kardinal sieht hier vor allem
die kirchliche Verwaltung in der Verantwortung. So sei der sexuelle
Missbrauch von Kindern und Jugendlichen
“zu einem nicht geringen
Teil auf den Machtmissbrauch im Bereich der Verwaltung
zurückzuführen”. Diese habe nicht dazu beigetragen, dass der
Sendungsauftrag der Kirche erfüllt werde, sondern dass dieser
“verdunkelt” und unmöglich gemacht wurde. Die Menschen müssten
der Kirchenverwaltung vertrauen können, forderte Marx.
Nachvollziehbarkeit und Transparenz seien “alternativlos”.

In der
Vergangenheit ist der sexuelle Missbrauch durch Geistliche immer
wieder vertuscht worden. Aus einer von der Deutschen Bischofskonferenz in Auftrag gegeben Studie geht hervor, dass in
einigen deutschen Bistümern Akten “mit Bezug auf sexuellen
Missbrauch Minderjähriger in früherer Zeit vernichtet worden
waren”. Zudem stellte sich heraus, dass hochrangige Kirchenvertreter
die Täter gedeckt haben. Bekannt ist etwa der Fall des chilenischen
Bischofs Juan Barros, der die Sexualdelikte des früheren Pfarrers
und Priesterausbilders Fernando Karadima gedeckt haben soll.

Papst lud zum Antimissbrauchsgipfel in den Vatikan

Um Konsequenzen
aus den Missbrauchsfällen der letzten Jahre zu ziehen und
Möglichkeiten zu finden, den sexuellen Missbrauch von Kindern durch
Geistliche zukünftig zu verhindern, hatte Papst Franziskus die Chefs
der weltweit 114 Bischofskonferenzen sowie Vertreter der römischen
Kurie, von Orden und Religionsgemeinschaften zum
Antimissbrauchsgipfel in den Vatikan eingeladen. Der Papst hatte die
Konferenz am Donnerstag mit einem Ruf nach “konkreten und
wirksamen Maßnahmen” gegen sexuellen Missbrauch eröffnet. Mit
Spannung wird auch seine abschließende Ansprache am Sonntag
erwartet.

Bei seiner
Rede forderte Kardinal Marx eine Aufhebung des sogenannten päpstlichen Geheimnisses. Damit werden strenge Geheimhaltungsnormen für
bestimmte Rechts- und Verwaltungsvorgänge in der katholischen Kirche
bezeichnet. Ihre Verletzung steht unter Strafe. Heute werden vom päpstlichen Geheimnis vor allem Vorgänge bezüglich der Ernennung
neuer Bischöfe sowie die juristischen Verfahren nach Anzeigen des
sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen geschützt. Er
sehe keine “zwingenden Gründe”, warum diese Geheimhaltungsnormen
bei der Verfolgung von Missbrauchsstraftaten Anwendung finden
sollten, sagte Marx. Deshalb sei der Hinweis auf das päpstliche
Geheimnis kein überzeugender Einwand gegen die Forderung nach
Transparenz und Nachvollziehbarkeit in
Missbrauchsprozessen.

Allerdings
stelle diese Transparenz laut Marx auch “nicht
die unkritische Annahme und die disziplinlose Verbreitung von
Missbrauchsvorwürfen” dar.
Stattdessen sollten Vorwürfe geklärt und konkretisiert werden und
die Öffentlichkeit, die Behörden und die römische Kurie zu
gegebener Zeit darüber informiert werden.

Laut
Marx muss die Kirche vier Maßnahmen ergreifen: Vertraulichkeit und
Geheimhaltung neu definieren, ihr Rechtssystem öffentlichen
Standards anpassen, Zahlen und Einzelheiten zu Missbrauchsfällen
öffentlich melden und gerichtliche Verfahren veröffentlichen.
Fakten könnten Vertrauen stiften, sagte
Marx. Laut
dem Kardinal führt institutionelles Misstrauen zu
“Verschwörungstheorien
bezüglich einer Organisation und Legendenbildung über eine
Organisation”.

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