/“Iceman” Wim Hof: “So begann meine Liebesbeziehung zur Kälte”

“Iceman” Wim Hof: “So begann meine Liebesbeziehung zur Kälte”

Wim Hof, Jahrgang 1959, ist international als “The Iceman”
bekannt. Der niederländische Extremsportler sorgt seit Jahrzehnten mit neuen Kälterekorden für Aufsehen. Er bestieg Berge nur in Shorts,
tauchte lange Strecken in zugefrorenen Seen und stand fast zwei Stunden lang in
einem Eisbad. Seine Kälteunempfindlichkeit geht offenbar auf sein besonderes
Training
zurück. Anfangs wurde er als Scharlatan bezeichnet, doch immer mehr Studien belegen, dass Hofs Methode wirkt. Seit
acht Jahren hält Hof Workshops. Am
Sonntag findet ein Event in München statt.

ZEIT ONLINE: Herr Hof, Sie sind als Iceman weltberühmt. Ihre Ehefrau kommt aus Brisbane. Wie kommen Sie mit dem tropischen Klima dort klar?

Wim Hof: Ich liebe die Hitze und die Tropen, vor allem Brisbane mit seinen Stränden und dem Regenwald. Aber die Kälte fasziniert mich auch. Ich bin einfach ein Mensch der Extreme. Das Wetter hat einen so großen Einfluss auf unseren Körper. Sich der Kälte hinzugeben, ohne Schuhe und T-Shirt – das machen wir viel zu selten.

ZEIT ONLINE: Sie beschreiben die Kälte als “edle Kraft”. Was meinen Sie damit?

Hof: Die meisten von uns spüren, wie gut Kälte für uns sein kann, aber man muss respektvoll mit ihr umgehen. Wer sich nicht schrittweise an sie gewöhnt, hat Schwierigkeiten. Doch wer langsam und behutsam vorgeht, kann mental und körperlich von ihr profitieren.

ZEIT ONLINE: Können Sie ein Beispiel nennen?

Hof: Die häufigste Todesursache im Westen hängt mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen zusammen. Wer seinen Körper langsam an immer niedrigere Temperaturen gewöhnt, trainiert seine Gefäße und Blutbahnen im gesamten Körper. Zusammengenommen sind die über 100.000 Kilometer lang. Durch Training lässt sich beispielsweise der Puls um zwanzig bis dreißig Schläge pro Minute senken, man spürt weniger Stress. Außerdem werden Sauerstoff und Nährstoffe besser durch den Körper transportiert.

ZEIT ONLINE: Wie haben Sie Ihre besondere Beziehung zur Kälte entdeckt?

Hof: Das geschah im Winter 1977. Ich war 17 und fühlte plötzlich den starken Impuls, in das eiskalte Wasser des Kanals im Beatrixpark in Amsterdam zu springen. Ich ließ mich ins Wasser gleiten und … Boom! Dieses Gefühl lässt sich nicht in Worte fassen. So begann meine Liebesbeziehung zur Kälte.

ZEIT ONLINE: Wie ging diese Beziehung weiter?

Hof: Ich ging weiter jeden Tag ins Wasser. Es machte Spaß, und ich merkte, dass es mir guttut. Viele Leute haben diese Verbindung zur Natur, zum Überleben und zu wirklich tiefsinnigen Erfahrungen verloren. Ich fand eine solche Verbindung zwischen Körper und Geist in der Kälte.

ZEIT ONLINE: Wie hat sich daraus über die Jahre eine inzwischen von Wissenschaftlern anerkannte Trainingsmethode, die Wim-Hof-Methode, entwickelt?

Hof: Ich begann, intensiv über meine Erfahrungen nachzudenken und zu sprechen. Anfangs dachten die Leute, ich sei verrückt. Daraufhin kamen Fernsehsender auf mich zu und forderten mich zu allerhand Weltrekorden auf. Dann wurden Wissenschaftler auf mich aufmerksam, die sagten: “Was Wim Hof macht, ist eigentlich unmöglich. Aber wie schafft er es trotzdem?” Durch Untersuchungen und klinische Studien fanden sie heraus, dass ich in der Lage bin, mein autonomes Nervensystem anzusteuern, um Energie im Körper freizusetzen, meine Körperkerntemperatur konstant zu halten oder Entzündungen abzuwehren. Bis dahin galt das als undenkbar.

ZEIT ONLINE: Ist die Kälte ein Allheilmittel?

Hof: Ihre therapeutische Kraft ist riesig. Sebastian Kneipps Hydrotherapie ist der gleiche Ansatz. Ergänzt um Atemübungen und bewusste Steuerungsprozesse im Gehirn steigt das Potenzial weiter.

ZEIT ONLINE: Kann das jeder?

Hof: Jeder kann das lernen.

ZEIT ONLINE: Wie funktioniert Ihre Methode?

Hof: Sie besteht aus drei Grundpfeilern. Der erste ist die Atmung. Normalerweise ist Hyperventilation ein Zeichen von Kontrollverlust. Wir lernen jedoch, immer wieder tief ein- und auszuatmen. Wer das rund dreißig Mal wiederholt, befreit seinen Körper zu Großteilen von Kohlendioxid. Plötzlich spürt man keinen Impuls mehr, atmen zu wollen. Mehrere Minuten lang die Luft anzuhalten, ist nun kein Problem. Dadurch schüttet der Körper Adrenalin aus. Tatsächlich mehr als bei jemandem, der zum ersten Mal einen Bungeesprung wagt. Die zweite Ebene betrifft das Training des Gefäßsystems im Körper. Wenn wir es immer wieder der Kälte aussetzen, werden die Gefäße und Muskeln fitter – niedrigerer Puls, weniger Stress. Wir können die Biochemie in unserem Körper bewusst steuern. Die dritte Säule dreht sich um Gedanken. Damit meine ich nicht so etwas Abstraktes wie: Ihr müsst positiv denken, Leute! Sondern ganz konkret das Nervensystem. Erst letztes Jahr im Mai wurde eine Studie veröffentlicht, die belegt, dass ich mithilfe meiner Gedanken meine Körperkerntemperatur auch in extremer Kälte kontrollieren kann.

ZEIT ONLINE: Ihre Methode wurde früher nicht anerkannt, noch heute gibt es Zweifler.

Hof: Die Überzeugungsarbeit bleibt meine größte Herausforderung.
Seitdem solide wissenschaftliche Daten meine Erfahrungen untermauern,
ist es etwas einfacher geworden. Selbst einige der größten Kritiker
konnte ich inzwischen überzeugen.

ZEIT ONLINE: Wie haben Sie sich gefühlt, als die ersten Forscher Ihre These stützten?

Hof: Ich habe geweint, denn endlich gab es Beweise dafür, dass ich keinen Hokuspokus veranstalte.

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