/David Schalko: “Es ist seit Haider immer das Gleiche”

David Schalko: “Es ist seit Haider immer das Gleiche”

David Schalko ist einer der bekanntesten Erzähler Österreichs. In Deutschland wurde er vor allem durch seine satirischen Fernsehserien “Braunschlag” und “Altes Geld” und seinen Roman “Schwere Knochen”bekannt. Nun hat sich der 46-Jährige an einen Klassiker gewagt und Fritz Langs Klassiker “M – Eine Stadt sucht einen Mörder” aus dem Jahr 1931 als TV-Serie adaptiert.

ZEIT ONLINE: Sind Sie im Verlauf der Produktion mal gefragt worden,
ob Sie absolut …

David Schalko: … ob ich absolut wahnsinnig geworden bin? Das habe
ich mich selbst oft gefragt. Ich hatte riesigen Respekt vor dieser Adaption,
aber es ging nie darum, sich mit Fritz Lang sportlich zu messen. Das wäre
völlig lächerlich. Ich fand, dass dieses faszinierende Filmwerk sehr viele
politische Parallelen zu heute aufweist, daher wollte ich es neu übersetzen.
Unsere Serie ist außerdem kein klassisches Remake, weil sie komplett neu
geschrieben wurde. Sie bedient sich vieler Elemente des Originals, des Plots,
der Figuren, Zitate und Bilder, aber geht sehr frei damit um. 

ZEIT ONLINE: Was war für Sie der spezielle Anknüpfungspunkt an das
Wien von heute?

Schalko: Ich fand, der Stoff hatte eines der brillantesten Serienkonzepte überhaupt, nämlich, keine Hauptdarsteller zu installieren, sondern die
Stadt selbst zur Protagonistin zu machen. Außerdem fand ich es spannend, den
Staat heute mit dem von 1931 zu vergleichen. Auch wenn die
Vermobbung nicht mehr auf der Straße stattfindet, sondern in den sozialen
Medien, hat man viele Vergleichsmomente. 

ZEIT ONLINE: Sie stellen die Entwicklungen des Populismus in der
aktuellen österreichischen Politik dar. Wo sehen Sie die Parallelen?

Schalko: Man spürt in Langs Film ganz deutlich eine Verrohung
der Gesellschaft, eine Brutalisierung. Ich glaube, dass auch wir an einer Art Vorabend stehen, zu was,
wissen wir noch nicht. Was wir wissen, ist, dass gewisse Bürgerrechte infrage
gestellt werden, dass der bürgerliche Konsens verlassen wird, dass die
Gesellschaft nach rechts rückt, dass es Ängste gibt, einen
Effizienzfetischismus, eine Hardcore-Leistungsgesellschaft, in der der
Wettbewerb gegeneinander mehr zählt als das Gemeinsame. All dieses Gebräu in
Kombination mit einer Überwachungstechnologie riecht unsäglich. Ich würde es
nicht als Faschismus bezeichnen, das ist ein viel zu altmodisches Wort
dafür.   

ZEIT ONLINE: Sie zitieren in der Serie einige Aussprüche von
Politikern, das berühmteste ist das des damaligen
Bundespräsidentschaftskandidaten Norbert Hofer: “Sie werden sich noch wundern,
was alles möglich ist.” Sie legen es in der Serie dem rechtspopulistischen
Innenminister in den Mund. 

Schalko: Wichtig war mir, die Rhetorik rechtspopulistischer
Politiker zu entlarven. Die Wahlen in
Österreich waren ja kein Missverständnis, die Leute wollten
das ja so, die haben sich nicht geirrt. Es gibt ein Bedürfnis nach solchen
Parolen und man muss sich fragen, woher das kommt. 

ZEIT ONLINE: Was denken Sie?

Schalko: Es hat mit einer gewissen Entpolitisierung zu tun; man
versucht, einen Staat wie ein Unternehmen zu leiten und die gleichen Rezepturen
zu übernehmen. Ein Bundeskanzler soll der starke Mann sein, der alle Probleme
löst. Dieses Managerhafte, dass sich ganz unsäglich mit Ideologie vermengt
– da haben die Rechten und der Kapitalismus sehr viele Überschneidungen.
Es geht nicht ums Gemeinwohl, sondern um die Einzelleistung, die alle anderen
übertrumpft. 

ZEIT ONLINE: Wer war denn Ihr Vorbild für den jungen namenlosen
Innenminister in der Serie? 

Schalko: Viele glauben, dass es ein Abbild von Sebastian Kurz ist,
aber das stimmt nicht.

ZEIT ONLINE: Er sieht ihm zumindest recht ähnlich.

Schalko: Die Figur entspricht einem bestimmten Politikertypus,
der weltweit sehr erfolgreich ist. Von Macron bis Salvini. Wichtig ist auch das
Körperbetonte. Das strahlt Stärke und Souveränität aus, während das Vergeistigte
Zweifel und Schmutz vermittelt. Es steckt ja auch eine Art Kulturkampf
dahinter.

ZEIT ONLINE: Der fiktiver Innenminister in Ihrer Serie nutzt die Panik angesichts der Kindermorde in Wien, um mehr Überwachungsmaßnahmen zu installieren. In einer
Szene werden Passanten gefragt, was sie davon halten, und sie antworten unisono:
“Es muss sich etwas ändern.”

Schalko: Das ist eine Persiflage auf rechte Medien und auch eine
Anspielung auf den Wahlkampf von Sebastian Kurz, der mit dem Slogan
“Veränderung” geworben hatte. Ich glaube, ein Grundbedürfnis in
unserer depressiven Gesellschaft ist: Hauptsache, es tut sich was. 

ZEIT ONLINE: Widerspricht das nicht dem anderen angeblichen
Grundbedürfnis vieler Menschen, dass alles so bleiben möge, wie es früher mal
war?

Schalko: Nicht, wenn mit der Veränderung zugleich ein großes
Abenteuer suggeriert wird: das Zurücksegeln in die Zeit vor 2000, wo alles besser
war. Was nicht stimmt. So gut wie jetzt ist es uns überhaupt noch nie
gegangen. 

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