/Aufarbeitung: Umfeld begünstigte Vertuschung des Missbrauchs an der Odenwaldschule

Aufarbeitung: Umfeld begünstigte Vertuschung des Missbrauchs an der Odenwaldschule

Eine Mischung aus versäumter Aufklärung, unqualifiziertem Personal und täterfreundlichem Umfeld hat die zum Teil jahrzehntelange Vertuschung des Missbrauchs an der hessischen Odenwaldschule begünstig. Zu diesem Ergebnis kommen eine Studie des Instituts für Allgemeine Pädagogik und Sozialpädagogik der Universität Rostock und eine Forschungsarbeit des Instituts für Praxisforschung und Projektberatung München.

Die Odenwaldschule als Eliteschule habe ein System geschaffen, das sich um sich selbst gedreht habe, schreiben die Münchner Autoren. Sie habe sich “von den Gesetzmäßigkeiten der bürgerlichen Welt” bewusst abgegrenzt, doch gebe es auch eine große Zahl an gelungenen Biografien ehemaliger Schüler. Somit existiere “die eine” Odenwaldschule nicht. Ob Schüler sexuell missbraucht wurden, sei unter anderem davon abhängig gewesen, in welcher der pädagogischen Familien sie lebten.

Der mangelnde Wille zur Aufklärung der sexuellen Missbräuche ist auch zentrales Thema der Studie aus Rostock. “Die Odenwaldschule konnte keine Zukunft haben, weil sie sich nicht der Aufarbeitung der Verbrechen stellte”, teilten die Forscher mit. Die Schulleitung habe immer wieder versucht, Vorfälle intern zu klären. Besonders eklatant sei das ab 2010 gewesen, als die jahrzehntelangen Missbräuche an die Öffentlichkeit gelangten. Die Schule habe die Öffentlichkeit gemieden und erst nach Druck von außen Verbrechen eingeräumt. Ein anschließender Versuch, die Schule zur Musterschule für Kinderschutz zu machen, sei gescheitert, weil die Selbstkritik am eigenen System gefehlt habe.

Im Jahr 2010 war aufgedeckt worden, dass an der als Reformschule für ihre alternativen Bildungsansätze bekannten Odenwaldschule jahrzehntelang Kinder massenhaft sexuell missbraucht worden waren. Die Privatschule gab anschließend eine öffentliche Entschuldigung ab und sagte eine konsequente und lückenlose Aufarbeitung zu. 2015 stellte die Schule ihren Betrieb ein.

Sozialminister lobt Erkenntnisse für den Schutz von Kindern

Während die Studie aus München das Missbrauchsystem der Odenwaldschule und die Bedingungen seiner Aufrechterhaltung durch Interviews mit betroffenen Schülern beschreibt, hatten die Forscher aus Rostock Zugang zu Akten der Schule. Die Arbeit widmet sich den Tätern und ihrem systematischen Vorgehen.

Für die Forschungsarbeit aus München wurden 64 Menschen aus dem Umfeld der Schule interviewt, 36 davon waren Schüler. Sie beschuldigten insgesamt 33 Menschen, die meisten davon waren Lehrer und andere Schüler.

Die wissenschaftliche Aufarbeitung könne nichts wiedergutmachen, sagte Hessens Sozialminister Kai Klose von den Grünen bei der Vorstellung der Ergebnisse. Die Studien seien “kein Abschluss, sondern eine Fortsetzung der Arbeit seit 2010”. Beide Studien wurden 2014 in Auftrag gegeben und vom hessischen Sozialministerium mitfinanziert. Die Gutachten liefern Klose zufolge “wichtige Erkenntnisse, die für das
Kinderschutzsystem insgesamt von hohem Interesse sind, und helfen uns,
dieses Schutzsystem fortlaufend zu verbessern” sagte Klose.

Hits: 15