/Leonard Fu: “So eine Geige ist mehr wert als ein Aktenkoffer voller Geld”

Leonard Fu: “So eine Geige ist mehr wert als ein Aktenkoffer voller Geld”

Im Spiegelsaal des Hamburger Museums für
Kunst und Gewerbe trifft sich ein Wochenende lang das Who’s who der
Nachwuchsstreicher. Sie alle wollen ein Meisterinstrument mit nach Hause
nehmen. Möglich macht das die Deutsche Stiftung Musikleben. Leonard Fu
(22) spielt seit beinahe zehn Jahren auf Leihgeigen des Musikinstrumentenfonds und
ist auch diesmal beim öffentlichen Vorspiel dabei. Warum es dauern kann, bis
Spieler und Geige sich verstehen und warum er sein Instrument bei diesem
Wettbewerb gerne eintauschen möchte, erzählt er im Interview.

ZEIT ONLINE: Seit Sie zwölf Jahre alt sind, spielen
Sie auf Geigen der Deutschen Stiftung Musikleben, Herr Fu. Wie war es,
das erste Mal ein solch besonderes Instrument in der Hand zu halten?

Leonard Fu: Das Potenzial einer solchen Geige kann
man sofort erspüren, man merkt, welche Möglichkeiten in ihr stecken. Und dann
geht’s darum, dieses Potenzial aufzuspüren und zu erkunden. Es ist ein ganz
großes Geschenk, auf so einem hochwertigen Instrument spielen zu dürfen.

ZEIT ONLINE: Bestimmt die Qualität der Geige über
die Qualität des Spiels?

Fu: Man kann auch ein extrem guter Spieler auf einem einfachen Instrument
sein, dafür gibt’s viele Beispiele. Aber es wäre gelogen, würde man sagen, dass
man bei solchen Wettbewerben mit jeder Geige brillieren könnte. Dafür haben minderwertige
Geigen einfach zu begrenzte Möglichkeiten, die Ausdruckskraft ist geringer. Bei
Wettbewerben trägt ein gutes Instrument zum Gesamteindruck bei, aber die Geige entscheidet
nicht darüber, wie man abschneidet.

ZEIT ONLINE: Können Sie überhaupt noch auf
Instrumenten aus der Grabbelkiste spielen oder sind Sie nach all den Jahren
verwöhnt?

Fu: Es wäre schon eine unangenehme Umstellung. Aber klar,
darauf spielen kann man auf jeden Fall noch.

ZEIT ONLINE: Aktuell spielen Sie eine Leihvioline von Carlo Ferdinando Landolfi. Beim Wettbewerb bewerben Sie sich jetzt aber um ein neues Instrument,
warum?

Fu: Die Landolfi hat ein wunderbares Klangspektrum und ist
besonders schön in den höheren Klangfarben. Trotzdem würde ich gern ein
Instrument mit einer dunkleren Klangseite kennenlernen. Die Entscheidung zur
Neubewerbung fiel mir nicht leicht. Gerade in den letzten Monaten haben wir
noch einmal viel an den Einstellungen geändert, zuletzt war ich richtig froh
über den Klang. Ich habe aber während meiner Forschungen mit dem Instrument
auch erfahren, welche Macken es hat und dass es ein wenig mehr Arbeit bedarf, die
Geige zum Sprechen zu bringen.

“Das Instrument behandeln wie einen guten Freund”

ZEIT ONLINE: Solche alten Instrumente sollen nicht leicht zu
spielen und regelrechte Diven sein.

Fu: Es ist schon so: Je hochwertiger das Instrument, umso
schwieriger ist es zu spielen. Bei einem minderwertigen Instrument ist es
einfacher, einen Klang zu produzieren, aber der ist dann auch 08/15, hat
weniger Klangfarbe und Klangbreite. Bei einer hochwertigen Geige muss man den
Klang beinahe aus dem Instrument herauslocken, dabei herausfinden, wie delikat
und leichtfüßig er sein kann und ab wann er bricht. Bei der Landolfi hat es
etwa ein Jahr gedauert, bis ich herausgefunden hatte, was die Geige mag und was
sie nicht mag.

ZEIT ONLINE: Moment, was die Geige mag?

Fu: Mit so einer Geige ist es eigentlich wie mit einer Person,
die man kennenlernt. Man muss dem Instrument mit Respekt begegnen und mit ihm
zusammenarbeiten. Man sollte das Instrument behandeln wie einen guten Freund.

ZEIT ONLINE: Letztlich tritt man also an, um eine
hochwertige Geige zu bekommen, mit der man im schlimmsten Fall dann nicht
zurechtkommt?

Fu: Wenn man als Stipendiat so eine Geige erhält, muss man erst
einmal einen Zugang zum Instrument finden und schauen, welche Möglichkeiten man
hat, den Klang mitzuformen. Die ersten Schritte wären dann immer, gemeinsam mit
dem Geigenbauer herauszufinden, wie man die Geige einstellen kann. Die Landolfi
ist eine Geige mit einem besonderen Klang und großer Wertigkeit. Trotzdem musste ich diese auf meine Bedürfnisse und
Herausforderungen anpassen.

ZEIT ONLINE: Wie haben Sie das gemacht?

Fu: Wir haben der Geige einen neuen Steg aufgesetzt, der alte
war mir zu hart und klang mir auch zu hart. Als Geiger ist man immer auf der
Suche nach der perfekten Einstellung, das ist ein fortwährender Prozess.
Schließlich sind das alte Instrumente, das Holz verändert sich.

ZEIT ONLINE: Aber viele der Geigen aus dem
Musikinstrumentenfonds, auch die Landolfi, stammen aus Privatbesitz. Dürfen
Sie als Nutznießer der Leihgaben einfach das Instrument umbauen?

Fu: Das sind keine gravierenden Umbauten. Da geht es mehr um
Einstellungssachen, die man auch immer wieder rückgängig machen kann. Außerdem
geschieht jede Änderung in Absprache mit der Stiftung. Dennoch: Die Instrumente
leben und verändern sich, das macht manchmal auch einen größeren Eingriff
notwendig, so alle 50 bis 100 Jahre. Da muss dann doch einmal ein Hals neu
gemacht oder das Griffbrett abgezogen werden.

“Größte Angst, die Geige irgendwo stehen zu lassen”

ZEIT ONLINE: Viele der Instrumente im Fonds sind
mehr als 300 Jahre alt und sehr wertvoll. Können Sie die wirklich als
Gebrauchsgegenstand sehen und unbeschwert spielen? 

Fu: Man hat beim Spielen schon einen riesengroßen Respekt.
Aber eine gewisse Abnutzung ist normal. Da kommt man vielleicht mal mit dem
Bogen an den Bauch, und der Lack splittert ab, aber das ist nicht so
dramatisch. Außerdem schaut sich ein Geigenbauer sehr regelmäßig das Instrument
an, bringt beispielsweise Schutzfolien an, wo große Abnutzung üblich ist. Auch
das nimmt die Angst. Schlimmer ist es beim Reisen. Wenn ich ins Flugzeug
steige, hab ich schon Sorge, dass da jemand den Koffer auf die Geige donnert.

ZEIT ONLINE: Oder Sie die Geige einfach vergessen. Der Fußballer Max Kruse hat auf diese Weise ja mal 75.000 Euro im Taxi
verloren.

Fu: Es ist die größte Angst eines Violinisten, die Geige einmal
irgendwo stehen zu lassen. Ich habe meine immer auf dem Rücken oder wenigstens im
Blick. Schließlich ist so eine Geige durchaus mehr wert als ein Aktenkoffer
voller Geld.

Dies ist ein Artikel aus dem Hamburg-Ressort der ZEIT. Hier finden Sie weitere News aus und über Hamburg.

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