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Kompromiss zu Paragraf 219a: Haben Sie abgetrieben?

Wie wirkt sich ein Schwangerschaftsabbruch auf die weibliche Psyche aus? Dieser Frage möchte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) im Rahmen einer Studie nachgehen. Sein Vorhaben ist Teil eines Kompromisses, den der Bundestag heute im Rahmen der Gesetzesänderung von Paragraf 219a beschließen wird.

Bisher ging es den Gegnerinnen der aktuellen Gesetzgebung um Transparenz, Information und darum, ungewollt schwangeren Frauen den Weg zu einem Abbruch zu erleichtern. Doch durch die geplante Studie verlagert sich die Diskussion auf eine andere Ebene. Jetzt, da dem Informationszugang auf gesetzlicher Ebene nichts mehr im Weg steht, möchte Spahn, so sagen Kritiker, psychologische Argumente gegen Schwangerschaftsabbrüche anbringen.

Zwar soll die Studie, so die Parlamentarische Staatssekretärin Sabine Weiss, “ergebnisoffen” sein, doch allein die Fragestellung – führen Schwangerschaftsabbrüche zu psychischen Erkrankungen? – enthält bereits eine Vermutung. Die umgekehrte Herangehensweise an eine empirische Erhebung – führen ungewollte Schwangerschaften zu psychischen Erkrankungen? – erscheint in der derzeitigen Debatte undenkbar.

“Empörend” und “überflüssig”

Die SPD-Bundestagsabgeordnete Hilde Mattheis bezeichnete die geplante Studie als “empörend”. Das Vorhaben erwecke bei ihr den Eindruck, dass eine Minderheit zufriedengestellt werden solle, die ein “Rollenbild vertritt, das wir schon längst hinter uns gelassen haben sollten”. Auch weitere Vertreterinnen und Vertreter von SPD, FDP, Grünen und der Linken kritisierten die Studie als “überflüssig”.

Zudem stieß die Summe, mit der die Bundesregierung die Studie unterstützt, auf Kritik: Mit fünf Millionen Euro überschreitet sie den normalen Haushalt des Gesundheitsministeriums um mehr als eine Million. Auf Twitter sammelten sich bereits Vorschläge, welche anderen Maßnahmen im Namen der Frauengesundheit mit dieser Geldsumme ergriffen werden könnten. Die Bloggerin Nike van Dinther startete unter dem Slogan “5 Millionen Euro für Hilfe statt Hass” eine Petition gegen das Vorhaben.

Aus medizinischer Perspektive ergibt eine neue Studie zwar durchaus Sinn. Bisherige Untersuchungen erscheinen vor allem in methodischer Hinsicht unbefriedigend. Doch die Frage nach dem sogenannten Post-Abortion-Syndrom, das im Rahmen der geplanten Studie untersucht werden soll, erscheint ausgesprochen tendenziös: Dieses vermeintliche Syndrom dient der US-amerikanischen Pro-Life-Bewegung seit den Achtzigerjahren als politische Kampfvokabel, wissenschaftlich gilt es als widerlegt.

Haben Sie einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen?

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Anmerkung: Wir haben den Begriff “Abtreibung” in diesem Artikel
aufgrund seines tendenziell abwertenden Charakters vermieden. Die
Überschrift ist an die berühmte “Stern”-Schlagzeile “Wir haben abgetrieben” von 1971 angelehnt.

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