/Bundesarbeitsgericht: Kündigung von katholischem Chefarzt nach Wiederheirat unwirksam

Bundesarbeitsgericht: Kündigung von katholischem Chefarzt nach Wiederheirat unwirksam

Das Bundesarbeitsgericht hat die Kündigung eines Chefarztes an einem katholischen Krankenhaus wegen dessen Scheidung und Wiederheirat für nicht rechtmäßig erklärt. Das Gericht wies die Revisionsklage des Krankenhausträgers unter Berufung auf das Europarecht zurück. Es habe keine kündigungsrelevante Dienstverletzung vorgelegen.

Der klageführende Mediziner arbeitete seit dem Jahr 2000 am
katholischen St.-Vinzenz-Krankenhaus in Düsseldorf, als er nach der Scheidung von
seiner ersten Frau im Jahr 2008 erneut heiratete – und zwar standesamtlich. Daraufhin wurde ihm im folgenden Jahr gekündigt.

Der
katholische Träger sah in der Wiederheirat einen schwerwiegenden
Loyalitätsverstoß, schließlich sei die erste Ehe nicht annulliert worden
und somit die zweite nach Kirchenrecht ungültig. Dabei verwies die
Kirche auf den Arbeitsvertrag des Internisten. Dieser basiert auf einer
Grundordnung, die das Erzbistum Köln in den 1990er Jahren erlassen hat.
Darin wird von den Mitarbeitern die Anerkennung der katholischen Glaubens- und Sittenlehre erwartet. Vor allem das Lebenszeugnis
leitender Mitarbeiter müsse dieser entsprechen, argumentierte der Arbeitgeber.

EuGH-Urteil sieht mögliche Diskriminierung

Dagegen wehrte sich der Mann juristisch; seit 2009 beschäftigt sein Fall die
deutschen und europäischen Gerichte. Aus der Perspektive des Mediziners
rechtfertigt die zweite Ehe keine Kündigung. Er sieht darin eine
Ungleichbehandlung gegenüber Nichtkatholiken. Einem
evangelischen Chefarzt etwa wäre nach einer Wiederheirat nicht gekündigt
worden.

Nachdem sich bereits das Arbeitsgericht und das
Landesarbeitsgericht Nordrhein-Westfalen, schließlich in einem ersten
Verfahren das Bundesarbeitsgericht sowie das
Bundesverfassungsgericht mit dem Fall beschäftigt hatten, baten die
Bundesarbeitsrichter in Erfurt schließlich den Europäischen Gerichtshof
(EuGH) um eine Einschätzung. Die Richter in Luxemburg sollten klären, ob

die Kündigung mit dem EU-Recht vereinbar ist.

Im vergangenen September kamen sie zu dem Schluss,
dass die Kündigung tatsächlich eine verbotene Diskriminierung aufgrund
der Religion
darstellen kann. Die Anforderung, dass ein
katholischer Chefarzt den “heiligen und unauflöslichen Charakter” der
Ehe zu beachten habe, sei nicht gerechtfertigt (Rechtssache C 68/17),
urteilten die Richter und werteten den Verstoß gegen den
Gleichbehandlungsgrundsatz als sehr hoch. In ihrer Entscheidung heißt
es: Die Akzeptanz des von der katholischen Kirche befürworteten
Eheverständnisses scheine für die Tätigkeit des Mediziners keine
“wesentliche Anforderung der beruflichen Tätigkeit zu sein”. Schließlich
seien ähnliche Stellen auch Ärzten anvertraut worden, “die nicht
katholischer Konfession sind”. 

Beobachter: Kündigung so nicht mehr durchführbar

Das
EuGH folgt damit zwar in Teilen der Argumentation des Chefarztes,
würdigte indes auch die besondere Stellung der Kirche nach deutschem
Verfassungsrecht. So
gilt in Deutschland für die 1,3 Millionen Beschäftigten der Kirchen und
kirchlichen Einrichtungen sowie Wohlfahrtsverbände ein eigenes
kirchliches Arbeitsrecht, das seit einem Urteil des
Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1985 gültig ist. Es sieht eine
weitgehende Selbstverwaltung und ein weites Selbstbestimmungsrecht der
Kirchen vor. Daher können kirchliche Arbeitgeber ihren Beschäftigten
bestimmte Vorschriften machen – etwa, welchem Glauben sie angehören.

Den
konkreten Fall mussten nun die Bundesarbeitsrichter in Erfurt
entscheiden. Offenbar orientierten sie sich dabei an einem Urteil im
Oktober 2018, als es den Sonderstatus der Kirchen in einem Fall aus
Berlin enger fasste als bisher. Danach dürfen Kirchen bei
Stellenausschreibungen von Bewerbern nicht mehr pauschal eine
Religionszugehörigkeit verlangen, sondern nur, wenn das für die konkrete
Tätigkeit objektiv geboten – und damit eine wesentliche Voraussetzung
ist.

Bereits vor diesem Urteil vom vergangenen Herbst hatten die beiden großen Kirchen sowie ihre
Wohlfahrtsverbände mitgeteilt, dass sie die Anforderungen an ihre
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter präzisieren wollen. Zudem hatte die
katholische Kirche in der Zwischenzeit ihr Arbeitsrecht liberalisiert.
Seit 2015 gelten die strengen Loyalitätsanforderungen nur noch für
verkündigungsnahe kirchliche Berufe. Beobachter nehmen deshalb an, dass
die Kündigung des Chefarztes in dieser Form aus heutiger Sicht nicht
mehr durchgeführt worden wäre.

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