/Karl Lagerfeld: Der letzte Superstar der Mode

Karl Lagerfeld: Der letzte Superstar der Mode

Die große Geste, das war sein Format. Sei es auf dem Laufsteg, in Interviews oder auf seinen Fotos – Karl Lagerfeld war ein Mann, der keine Grenzen kannte, und auch dieser Gesten wegen wurde er “Kaiser Karl” genannt. Er ließ die Antarktis, eine Prachtstraße, einen riesigen Supermarkt oder den schönsten Strand der Riviera inklusive Fototapete in das Pariser Grand Palais bauen, um darin seine Entwürfe zu präsentieren. Er erfand die Häuser Chloé, Fendi und Chanel neu und wappnete sie für die Zukunft – indem er sich die Inspirationen für seine Luxusmode im Streetstyle holte; mit dem Doppel-C von Chanel gibt es sogar Skateboards und Bumerangs. Er machte Frauen wie Inès de la Fressange und Claudia Schiffer und Männer wie Brad Kroenig und Baptiste Giabiconi weltberühmt – und fand in Schauspielerinnen wie Kristen Stewart moderne, bereits weltberühmte Markenbotschafterinnen. Und zuletzt, in Zeiten des Cat Content, hat er sogar seiner weißen Birmakatze Choupette zu weltweitem Ruhm verholfen. Sie wurde zum Internet-Star mit eigener Social-Media-Koordinatorin – was beweist, dass Karl Lagerfeld immer auf der Höhe seiner Zeit war. Die Katze sei eigentlich längst berühmter als er, hat er einmal gesagt.

Lagerfeld konnte zeichnen, entwerfen, fotografieren, reden, schreiben – meistens sehr schnell und mitunter auch alles gleichzeitig. Es gibt kaum eine Gattung innerhalb der Modewelt, diesem Reich zwischen Kunst, Kultur und Kommerz, die er nicht bespielen konnte. Und am liebsten machte er ohnehin alles selbst, bis hin zu den Fotografien für die Werbekampagnen und das Editieren beeindruckender Bildbände. Seine eigene Bibliothek umfasst gut 300.000 Bücher, auch ein Sammler war er – der dazu auch die passende Inneneinrichtung entwerfen konnte. Was er nicht getan hat, aber andere haben für ihn erledigten: eine Sammlung seiner Sottisen und Aphorismen herauszugeben. Zum Beispiel: “Eine Frau ohne Stil hat auch in einem Kleid mit Stil keinen Stil.” Oder: “Ich leide an einer Überdosis meiner selbst.” Oder: “I’m very much down to earth. Just not this earth.” Sie saßen immer, seine Sätze, wie maßgeschneidert.

Nach dem Tod von Karl Lagerfeld erinnern Prominente an den Modeschöpfer. Er prägte den Stil des Modehauses Chanel und galt als einer der wichtigsten Designer weltweit.

Er war der letzte Superstar der Mode – auch weil er keine Berührungsängste kannte und über das Klischeebild des einsamen, versunken Stoffe drapierenden Genies wahrscheinlich nur verächtlich geschnaubt hätte. Die Dokumentation Lagerfeld Confidential zeigt ihn zwar auch allein zu Haus, im weißen Kimono, aber meistens eben doch umgeben von Freunden, als Mittelpunkt jeder Gesellschaft. Seine Silhouette mit dem charakteristischen Mozartzopf (meistens weiß gepudert) und dem halb geöffneten Fächer zierte Cola-Dosen und wurde zur Vorlage für einen Steiff-Teddy. Für sein preisgünstigeres Label Karl Lagerfeld stilisierte er sich zu einer japanischen Comicfigur, die T-Shirts und Taschen veredelte. Lagerfeld war der erste Designer, der sich 2004 zu einer limitierten Kollektion für den Fast-Fashion-Konzern H&M herabließ. Damit wurde eine gewisse Kooperationsmanie zwischen High Fashion und Massenmarkt begründet, die bis heute anhält.

Dass Lagerfeld als Ikone funktionierte, dass sein Ruhm weit über Europa hinausreichte – das hat vor allem die Deutschen gefreut. Lagerfeld war das Feigenblatt des deutschen Modebewusstseins. Und im Gegensatz zu Jil Sander hat er vor allem auch immer wieder bewiesen, dass Deutschsein eben nicht bedeuten muss, geradlinig und schlicht zu sein. Sondern dass Regeln und Effizienz, richtig angewendet, die Grundlage von Exzentrik sein können.

Der 85-Jährige war bereits auf der Chanel-Modenschau in Paris im Januar nicht aufgetreten, was Spekulationen über seinen Gesundheitszustand ausgelöst hatte.

Über ein halbes Jahrhundert stillte Karl Lagerfeld von Paris aus die deutsche Sehnsucht nach Eleganz und Eloquenz, allein bei Chanel ist er 36 Jahre lang als künstlerischer Direktor und Chefdesigner im Amt geblieben. Er, der vor der deutschen Engstirnigkeit und Erdenschwere Geflohene und doch immer deutsch Gebliebene, hat erreicht, was niemand vor und niemand nach ihm erreichte: nicht trotz, sondern wegen seiner Herkunft geliebt, verehrt, bewundert zu werden.

Bei ihm hatte das Deutschsein etwas Verwegenes, so großbürgerlich und wohlerzogen und dennoch herausfordernd wie seine Arbeit für Balmain, Patou, Chloé, Fendi, Chanel und seine eigene Marke bis zum Schluss war. Obwohl seine Kunst nicht in der Innovation lag, sondern in dem Arrangement von Vorgefundenem: Er variierte das kragenlose Bouclé-Jäckchen von Chanel und den Pelz von Fendi tausendfach, aber so stilsicher und so virtuos, dass seine Jäckchen, Mäntel, Kleider und Taschen unverwechselbar wurden. Auch sich selbst erfand er gelegentlich neu: Etwa, als er im Jahr 2000 ganze 42 Kilogramm abnahm – um in die knabenhaft schmalen Anzüge zu passen, die Hedi Slimane damals für Dior kreiert hatte.

Hits: 4