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Münchner Sicherheitskonferenz: Läuft nicht bei der Nato

Das unverbrüchliche Bekenntnis zur transatlantischen Partnerschaft und mithin zur Nato gehört zu den wiederkehrenden Pflichten amerikanischer wie europäischer Redner auf der Münchner Sicherheitskonferenz. Seit Jahren wird das von US-Seite üblicherweise mit der Forderung verbunden, die Europäer mögen doch bitte ihren angemessenen Beitrag zu den Fähigkeiten und zur Einsatzbereitschaft des Verteidigungsbündnisses leisten – also mehr investieren und mehr tun. In Europa ist der Druck insbesondere auf Deutschland groß, die Ausgaben gemäß den gemeinsam mit den Partnern vereinbarten Zielen zu steigern und die Bundeswehr zu modernisieren. Somit kam Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen zum Auftakt an diesem Freitag nicht umhin, ebendies erneut zu versprechen. Die Freunde jenseits des Atlantiks musste sie aber auch daran erinnern, was es heißt, gemeinsam zu handeln.

Bis 2024 bei den Verteidigungsausgaben auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu kommen, wie 2004 verabredet, diese Marke wird Deutschland nicht erreichen. Nach jetzigem Stand werden es 1,5 Prozent sein. Doch “das ist eine Leistung”, unterstrich von der Leyen in München. Es gebe einen klaren Plan und die Bundesregierung halte an dem Zwei-Prozent-Ziel fest. Den “amerikanischen Ruf nach mehr Fairness in der Lastenteilung” nannte sie berechtigt: “Wir wissen, dass wir noch mehr tun müssen. Gerade wir Deutschen.” Gepaart werden müsse dies mit einer verstärkten militärischen Zusammenarbeit in Europa, die noch zu fragmentiert sei, und einer verlässlichen gemeinsamen Linie in der Politik – das alles nutze unmittelbar der Nato.

Für von der Leyen ist die Nato dabei “mehr als eine militärische Allianz”, und das Prinzip der Fairness in der transatlantischen Freundschaft müsse auch für die politische Entscheidungsfindung gelten. Was sich im 70. Jahr des Bündnisses wie eine Selbstverständlichkeit anhört, ist in diesen Tagen aber offenbar alles andere als einfach. Die Verteidigungsministerin hob die Maxime “Gemeinsam rein, gemeinsam raus” für die Missionen der Nato hervor und bezog sich vor allem auf Afghanistan, wo das Mandat der Bundeswehr eben erst um ein Jahr verlängert wurde. Derweil wollen die USA rund die Hälfte ihrer dort stationierten 14.000 Soldaten abziehen, ihre Truppen schon unabhängig von Fortschritten bei Friedensgesprächen mit den Taliban zu reduzieren beginnen, und auch ihre Pläne für Syrien und den Irak werden von den Partnern mit Sorge betrachtet. “Gemeinsam rein, gemeinsam raus” müsse auch bedeuten “gemeinsam entscheiden”, forderte von der Leyen – das funktioniert bloß derzeit nicht besonders gut.

“Deutlich formulierte Skepsis”

Was Afghanistan betrifft, versicherte der geschäftsführende US-Verteidigungsminister Patrick Shanahan seinen Nato-Amtskollegen am Donnerstag zwar, es werde “keine einseitige Truppenreduzierung” geben. Am Freitagvormittag kam vor der Sicherheitskonferenz aber auch die Koalition gegen den “Islamischen Staat” zusammen, ebenfalls in München. Dabei hatten sich die Partner der USA erhofft, endlich mehr über die amerikanischen Abzugspläne für Syrien zu erfahren. Shanahans Vorgänger James Mattis war aus Protest gegen diese weitgehend unabgestimmte Entscheidung von US-Präsident Donald Trump im vergangenen Jahr zurückgetreten. Nach dem Treffen hieß es, von den Partnern sei den USA so “deutlich formulierte Skepsis” entgegen geschlagen, wie man sie selten in solchen Kreisen erlebe. Die Nachrichtenagentur Reuters zitiert einen hochrangigen europäischen Diplomaten mit den Worten: “Wir versuchen immer noch zu verstehen, wie die USA den Abzug planen.” Demnach gibt es keinerlei Klarheit: Weder seien ein konkreter Zeitplan für den Abzug noch eine Lösung für den Konflikt zwischen der Türkei und den Kurden in Syrien präsentiert worden.

Gemeinsam entscheiden, das müsse auch für Syrien und den Irak gelten, wo fast alle Nato-Mitglieder zum Kampf gegen den IS beitrügen, sagte von der Leyen in ihrer Rede. Angesichts der holprigen Entscheidungsfindung schon innerhalb der US-Regierung ist das zumindest in Teilen eher ein verzweifelter Wunsch als eine Beschreibung des Status quo der transatlantischen Partnerschaft. US-Verteidigungsminister Shanahan betonte, die USA wollten den Kampf gegen den IS zusammen mit den Verbündeten auch in Regionen außerhalb des Iraks und Syrien verstärken – bis die Terrormiliz geschlagen sei. Präsident Trump hat dieses Ziel ja gefühlt bereits abgehakt und bleibt ein Unsicherheitsfaktor für die Entwicklungen in der Region.

“Nicht die gleichen Fehler machen”

Der amerikanische Senator Lindsey Graham könnte jemand sein, auf den Trump hört. Er sagte in München, er habe dem Präsidenten erklärt, ein Abzug von US-Truppen in Syrien dürfe nicht zur Rückkehr des IS führen. Auch müsse verhindert werden, dass der Nato-Partner Türkei im syrischen Grenzgebiet gegen kurdische Milizen vorgehe. Die Verbündeten der USA rief er dazu auf, eine militärische Sicherheitszone in Syrien mit eigenen Soldaten zu unterstützen. Der Präsident sei bereit, ein begrenztes US-Kontingent in Syrien zu belassen und die Mission mit anderen US-Fähigkeiten zu stärken und zu leiten, wenn die Europäer mitmachten. Dafür würden die Amerikaner in München weiter werben: “Lasst uns in Syrien nicht die gleichen Fehler machen, die wir im Irak gemacht haben.” Der deutsche Außenminister Heiko Maas warnte derweil vor einem Großangriff syrischer und russischer Truppen in Nordsyrien. Alle Gespräche zielten derzeit darauf, die Interessen der Kurden dort zu wahren und dafür zu sorgen, “dass es eben keine großflächige militärische Intervention geben wird”.

Während die Lage also nicht einfacher wird, scheinen die Verbündeten alle Mühe zu haben, sich auf gemeinsame Ziele zu verständigen – auch wenn von der Leyen festhielt, es herrsche “breite Übereinstimmung”, dass der Kampf gegen den IS im Irak und in Syrien noch nicht abgeschlossen sei. Ihr sei nicht bange um die innere Stärke der Nato, sagte die Verteidigungsministerin am Ende ihrer Rede. Für eine so eindeutige Aussage braucht es einigen Optimismus in diesen Tagen.

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