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Belarus: Minsker Chefredakteurin droht mehrjährige Haft

Die Chefredakteurin der belarussischen Nachrichtenwebsite tut.by, Marina Solotowa, steht seit Dienstag in der Hauptstadt Minsk vor Gericht. Ihr werden “Untätigkeit” und Fahrlässigkeit vorgeworfen, weil Mitarbeiter von tut.by unerlaubt Dienste der staatlichen Nachrichtenagentur Belta genutzt haben sollen. Die Organisation Reporter ohne Grenzen sieht in dem Prozess hingegen einen “Akt der Einschüchterung gegen die letzten unabhängigen Medien Weißrusslands” durch die Regierung des autoritären Staatschefs Alexander Lukaschenko.

Solotowa wurde bereits im August 2018 zusammen mit neun weiteren Journalisten – unter
ihnen auch ein Korrespondent der Deutschen Welle – festgenommen. Die Behörden warfen ihnen vor, sich illegal Zugriff auf kostenpflichtige
Informationsangebote der Agentur Belta verschafft zu haben. Die anderen mit Solotowa festgenommenen
Journalisten waren nach Zahlungen von Entschädigungen und Zinsen
freigelassen worden; der tut.by-Chefredakteurin drohen nun bis zu fünf Jahre Haft.

Solotowa weist die Vorwürfe zurück. “Die Angelegenheit richtet sich gezielt gegen tut.by“, erklärte die 41-Jährige vor
der Anhörung auf der Webseite des belarussischen Journalistenverbandes.
Tut.by werde jeden Tag von mehr als einer Million Menschen angesehen,
während Belta und andere staatliche Medien deutlich weniger Leserinnen und Leser
hätten. “Das ist kein Versuch, uns zu schließen, aber die Konkurrenz zu
schwächen.” Alexander Lukaschenko führt Belarus seit 1994 mit harter Hand. Die frühere Sowjetrepublik lag 2018 auf der von Reporter ohne Grenzen erstellten Rangliste für Pressefreiheit auf Platz 155 von 180 Ländern.

Europarat alarmiert über Angriffe auf Journalisten

Der Europarat – dem Belarus nicht angehört – beobachtet die zunehmend massiveren Angriffe auf Journalistinnen und Medien mit großer Sorge. Die Pressefreiheit in Europa sei derzeit so “gefährdet wie nie zuvor seit dem Ende des
Kalten Krieges”, stellte die paneuropäische Länderorganisation in einem Bericht fest.

Demnach wurden dem Europarat im
vergangenen Jahr 140 gravierende Übergriffe auf Journalisten in 32
seiner 47 Mitgliedsländer gemeldet. Als Beispiele nennt der Europarat einen Bombenanschlag auf eine Reporterin in Montenegro, einen
Messerangriff auf einen Journalisten in Mailand und einen versuchten
Giftanschlag auf Mitarbeiter einer ukrainischen Nachrichtenwebsite. 130
Journalistinnen und Journalisten befanden sich dem Bericht zufolge zudem Ende 2018 in Haft,
davon allein 110 in der Türkei. Die Erhebung basiert auf Meldungen über Angriffe auf die Pressefreiheit,
die zwölf Partnerorganisationen wie internationale
Journalistenverbände, die Organisation Reporter ohne Grenzen und der
Pen-Club regelmäßig an den Europarat senden.

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