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CDU-Werkstattgespräch: Bloß nicht zu viel aufwühlen

Am Ende weht
doch ein Hauch AfD durch das Konrad-Adenauer-Haus: Beim ersten Werkstattgespräch
Migration, Sicherheit und Integration in der CDU-Bundeszentrale tritt ein
junger Mann ans Publikumsmikrofon: Er sei Polizist aus Frankfurt und froh, in
Deutschland zu leben, sagt er. Auch seine Kinder und Enkel sollten in diesem
Deutschland groß werden können. “Aber wenn jemand hierherkommt, der Traditionen
und Werte und Grundsätze hinterfragt, dann brauche ich einen starken Staat, der handelt und
den Rest des Volkes, der friedlich zusammenleben will, einfach schützt.” Rest des Volkes? Schnell leitet Moderatorin Angela Elis auf dem
Podium zur Schlussrunde ihrer vier Diskussionsgäste über.

Der Einwurf
des Mannes zeigt die Spannung, unter der die CDU steht, seit Kanzlerin Angela Merkel in einer Septembernacht 2015 entschied, Dutzende Busse mit in Ungarn
gestrandeten Flüchtlingen über die österreichisch-deutsche Grenze kommen zu
lassen
. Zehntausende folgten binnen weniger Tage. Nicht nur das Land, vor allem
Merkels CDU streitet seitdem, ob das und die folgende Politik
richtig war und was sie für heute bedeutet. Das Werkstattgespräch ist das Versprechen
der neuen CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer, die Flüchtlingspolitik seit
2015 aufzuarbeiten.

Zwischen Humanität und Härte

Merkels
Kritiker sehen den September 2015 als Kontrollverlust. Indem die Regierung die Grenze damals
nicht schloss, setzte sie faktisch das Prinzip des Dublin-Abkommens außer Kraft. Es
besagt, dass über einen Asylantrag in dem Land entschieden werden muss, in dem
der Flüchtling die EU betritt. Was in der Praxis nur schlecht funktioniert, wie
auch die von Kramp-Karrenbauer zum Auftakt des Werkstattgesprächs geladenen
Experten konstatierten. Deren zweistündige Diskussion kreiste um “eine
vernünftige Mischung von Humanität und Härte”, wie es der Konstanzer
Rechtswissenschaftler Daniel Thym formulierte. Thyms Kölner Berufskollege
Christian Hillgruber prognostizierte, wenn
diese Mischung gelänge, “würden wir mehr Unterstützung für den Flüchtlingsschutz
in der Bevölkerung erhalten”.

Was das kreisförmig um das Podium angeordnete
geladene CDU-Publikum zu hören bekam, war weitgehend absehbar und konnte die vorab laut
gewordenen Zweifel am Sinn der Expertenrunde bestätigen: Zu hören war eine nach außen gerichtete Diskussion mit größtenteils bekannten Argumenten und Positionen.

Die Runde machte einige Vorschläge, wie die
Balance zwischen Humanität und Härte aussehen könnte. Die Weiterwanderung von in der EU angekommenen Flüchtlingen ins
Mitgliedsland ihrer Wahl könnte man dort mit dem Entzug von Sozialleistungen
eindämmen, schlug der Rechtswissenschaftler Thym vor. Sein Kollege Hillgruber
setzte noch früher an: Wer etwa aus dem Bürgerkrieg in Syrien flüchte, sei bei
Erreichen eines Lagers in Jordanien oder dem Libanon doch bereits in
Sicherheit, argumentierte er. Dass von dort aus sich vor allem junge Männer
nach Europa aufmachten, “hat mit dem Schutz vor
Bürgerkrieg nichts mehr zu tun”. Linkspolitiker oder Grüne würden hier heftig
gegenhalten, bei der CDU-Veranstaltung bleibt das unwidersprochen.

Dauerstreit mit Seehofer

Denn Teile
der Partei sehen die CDU durch die Politik seit 2015 ähnlich traumatisiert wie
die SPD durch die Hartz-Reformen: Den politischen Erfolg strich vor allem die AfD ein, denn die vermeintliche Grenzöffnung Merkels von 2015 hat die
Nationalisten stark gemacht. Der Dauerstreit Merkels mit dem damaligen CSU-Vorsitzenden und
Innenminister Horst Seehofer über eine Obergrenze für Asylbewerber oder die
Zurückweisungen an der Grenze
ließ die CDU-Wahlergebnisse sinken. Manchem
Christdemokraten ist unverständlich, warum Frankreich etwa Flüchtlinge an der
Grenze zurückweist und die Bundesregierung das nur in seltenen Fällen für möglich hält.

Auf
dem Höhepunkt der unionsinternen Krise sah es gar nach einem Bruch der Fraktionsgemeinschaft
von CDU/CSU im Bundestag aus: Ihr eigener Innenminister bescheinigte der
Kanzlerin eine “Herrschaft des Unrechts”.

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