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Zersiedlungsinitiative: So bauen wir die Schweiz von morgen

Raumplanung, das meint in der Schweiz seit jeher, das Unerwünschte zu
kanalisieren. Manchmal im wortwörtlichen Sinn. Als 1963 in Zermatt eine Typhusepidemie
ausbrach, die drei Menschen ins Grab und Hunderte ins Spital brachte, reagierte die
Öffentlichkeit schockiert – und die Politik geriet unter Druck. Sie revidierte das nationale
Gewässerschutzgesetz, und seither gilt: Ein Wohnhaus darf in der Schweiz nur noch auf einer
Parzelle gebaut werden, die an eine Kanalisation und an eine Abwasserreinigungsanlage
angeschlossen ist.

Weil der Rohrmeter viel kostet und sich nicht jeder Weiler ein eigenes Klärwerk leisten kann, lohnt es sich fortan, näher am Nachbarn zu bauen. So wurde die Salmonella Typhi zu einem der ersten Treiber einer baulichen Verdichtung nach innen, wie es im Fachjargon heißt.

Die Geschichte zeigt: Die kuriosesten Faktoren und die unterschiedlichsten Gesetze bestimmen, wie und wo die Schweiz bebaut wird und wie das Land schließlich aussieht.

Raumplanung ist ein Patchwork und ein ewig zäher Aushandlungsprozess, verbunden mit zahlreichen Rückschlägen und viel Frust.

Das weckt den Wunsch nach radikalen, einfachen Lösungen. Wie sie zum Beispiel die Zersiedlungsinitiative vorschlägt, über die am Sonntag abgestimmt wird. Die Initiative fordert, die Bauzonen in der ganzen Schweiz auf dem Stand von heute einzufrieren.

Das Volksbegehren wird scheitern, das zeigen die jüngsten Umfragen. Auch weil die Initianten nicht überzeugend darlegen konnten, dass damit die Zersiedelung des Landes tatsächlich gestoppt und nicht zusätzlich befeuert wird.

Aber die großen Fragen bleiben über den Abstimmungssonntag hinaus dringend:

Wie sieht unser Land aus, wenn hier bald zehn Millionen Menschen leben? So sagen es die Statistiker für das Jahr 2035 voraus.

Und wie schaffen es Politiker, Planer, Investoren, dass sich diese Menschen, also wir alle, in einer Zehn-Millionen-Schweiz daheim fühlen?

1. Das UVEK neu organisieren

Das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) ist das Superministerium der Schweiz. Was in anderen Ländern auf unzählige Regierungsmitglieder verteilt wird, hat hierzulande eine einzige Bundesrätin unter sich. Das UVEK bestimmt über die Nationalstraßen, über den öffentlichen Verkehr, die Energie- und Klimapolitik, die Landschaft und den Wald. Nur machte Doris Leuthard, die das Departement acht Jahre lang führte, reichlich wenig aus ihrer geballten Planungsmacht. Sie sah ihre Aufgabe darin, die verschiedenen Interessen möglichst streitfrei auszutarieren. Es ist an Simonetta Sommaruga, ihrer Nachfolgerin, das zu ändern – und zwar möglichst schnell.

Klar, der Bund hat erst seit wenigen Jahren in der Raumplanung wirklich etwas zu sagen, und nach wie vor sind es die Kantone und Gemeinden, welche die Richt- und Zonenpläne erstellen und umsetzen. Aber wieso das Bundesamt für Raumentwicklung (ARE) in der departementsinternen Hackordnung derart weit unten rangiert, ist unverständlich.

Tatsächlich ist es das wichtigste Amt im ganzen UVEK. Einem Generalstab gleich, müsste das ARE über allen UVEK-Ämtern stehen und sämtliche Entscheide auf die eine Frage abklopfen: Was macht das mit unserm Land?

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