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Altersvorsorge: Geldanlage für Faule

Wie soll ich fürs Alter vorsorgen? Die Antwort darauf kostet bei Doris Kappes 150 Euro. Dafür bekommt man 90 Minuten Beratung und 22 Jahre Erfahrung. So lange
beschäftigt sich die Beraterin schon mit den Themen “Geldanlage” und “Altersvorsorge”. Ihre
Kunden empfängt sie in einem kleinen Besprechungszimmer im ersten Stock eines Bürogebäudes
beim Hamburger Hauptbahnhof. Es ist das Haus der Verbraucherzentrale.

Der Raum ist klein – ein Tisch, drei Stühle, kahle Wände, filzgrauer Teppich. Das Ambiente ist nicht so gediegen wie in manchen Banktürmen, aber dafür können die Kunden sicher sein, dass eine Beraterin wie Kappes weder Boni noch Provisionen dafür einstreicht, dass sie jemandem etwas aufschwatzt. Die Verbraucherzentrale verkloppt keine Aktien, keine Fonds oder Lebensversicherungen. Kappes kann frei empfehlen, was sie für richtig hält.

Viele Menschen schätzen das. Die Termine aller Berater sind für die nächsten zwei Monate ausgebucht. “Früher”, sagt die 57-jährige Juristin, “kamen zum Jahresende viele Leute, weil sie noch schnell Verträge abschließen wollten. Die anderen Monate waren ruhig.” Damit ist es jetzt vorbei. “Seit zwei Jahren sind wir ständig ausgebucht.” Die Menschen machten sich Sorgen um ihre Altersfinanzen – quer durch alle Schichten. Auch Gutverdienende seien dabei. “Oft sagen die: ‘Ich habe zwar studiert, aber damit kenne ich mich nicht aus.'”

Für wen lohnt sich die Riestern?

Und was rät Frau Kappes? Nicht etwa riestern, oder? “Es kommt darauf an”, sagt sie. Wer zum Beispiel den Spitzensteuersatz zahle, profitiere von Steuervorteilen, und wer wenig verdiene und Kinder habe, von den staatlichen Zulagen. In solchen Fällen rentiere sich die Riester-Rente, in vielen anderen Fällen nicht. Entscheidend sei die individuelle Situation.

Ähnlich ist es bei der betrieblichen Altersvorsorge. Viele Arbeitnehmer wissen nicht, dass ihr Arbeitgeber ihnen so etwas anbieten muss. Kappes dagegen kennt die fünf verschiedenen Modelle in- und auswendig. Sie erläutert deren unterschiedliche Vorzüge, holt auch einen Taschenrechner hervor, um zu zeigen, wie viel Geld dabei herauskommen kann.

Oft kämen ihre Kunden mit einer anderen Form der Altersvorsorge zu ihr, mit einer fondsgebundenen Rentenversicherung. “Die lohnt sich fast nie”, sagt Kappes. “Da sind die Abschluss- und Vertriebskosten viel zu hoch.” Auch das rechnet sie an einem Beispiel vor.

So ist es bei jedem Thema, ob Aktien, Lebensversicherung oder Versicherung gegen Erwerbsunfähigkeit: Kurz und bündig erklärt die Beraterin, für wen was infrage kommt. Nur bei der privaten Versicherung gegen das Pflegerisiko bleibt sie allgemein. Sie sagt: “Eine Versicherung gegen ein Risiko, das Sie ruinieren kann, ist grundsätzlich sinnvoll.” Aber für die Pflege seien andere Kollegen zuständig. “Die sind darauf spezialisiert.”

“Seit einigen Jahren kommen immer häufiger Jüngere zu uns. Die sind gerade mit der Uni fertig und machen sich jetzt schon Gedanken um ihre Altersvorsorge.”

Doris Kappes, Finanzexpertin der Verbraucherzentrale Hamburg

Im Gespräch mit ihr wird schnell klar: Es gibt keine einfache Antwort. Aber wenn man sich beraten lässt – und etwas Geld beiseite legen kann –, geht doch sehr viel. Die Verbraucherzentralen bieten solche Beratungen gegen Honorar an, bei der Deutschen Rentenversicherung gibt es sie kostenlos. Auch freie Finanzberater, die auf Honorarbasis arbeiten, können hilfreich sein. Kappes legt ihren Besuchern außerdem die Bücher und Broschüren der Stiftung Warentest nahe. Ihre “Lieblingsbroschüre” heißt:
Geldanlage für Faule,
die empfiehlt sie am häufigsten.

Faul – also an einer möglichst bequemen Form der Geldanlage interessiert – könne man ruhig sein, sagt Kappes. Nur eines dürfe man nicht tun: Das Thema auf die lange Bank schieben. “Wenn man jung anfängt, kann man mit kleinen Beträgen viel sparen, das ist einfach so.” Da beobachte sie aber schon einen Bewusstseinswandel: “Seit einigen Jahren kommen immer häufiger Jüngere zu uns. Die sind gerade mit der Uni fertig und machen sich jetzt schon Gedanken um ihre Altersvorsorge.” Das gab es früher nicht.

Ist das nicht übertrieben? Doris Kappes schüttelt den Kopf. “Nein, das ist das einzig Richtige.”

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