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Jeremy Corbyn: Ein besonders weicher Brexit

Der britische Oppositionsführer hat den Zeitpunkt klug
abgepasst. Wie erwartet, musste die britische Regierungschefin Theresa May am
Donnerstag Brüssel unverrichteter Dinge verlassen. Die EU blieb hart.
Entscheidende Änderungen beim Backstop zum EU-Austrittsvertrag hat May nicht
durchsetzen können. Damit steht May zunächst wieder mit leeren Händen da. Gerade
jetzt bietet Jeremy Corbyn der britischen Regierungschefin daher in einem
staatsmännischen Brief Hilfe an. Warum macht er
das?

Nach ihrem vergeblichen Besuch in Brüssel stehen die
Hardliner in der Konservativen Partei und die irische DUP dem Austrittsvertrag
von May weiterhin ablehnend gegenüber. Das ist 50 Tage vor dem Brexit kein
gutes Zeichen. Der Deal von May bleibt vergebliche Liebesmüh, wenn die
Regierungschefin im Parlament in den nächsten Wochen keine Mehrheit bekommt.

Genau das aber will Corbyn. Er will den Brexit und hätte
nichts lieber, wenn May ihren EU-Deal endlich auf die Reihe bekommt. Corbyn ist
eingefleischter Europaskeptiker, aber er will sich nicht die Hände schmutzig machen
und später dafür verantwortlich gemacht werden, dass er der Konservativen
Partei beim Brexit geholfen habe.

Norwegen als Schreckgespenst

Also muss er geschickt taktieren. Er schlägt May einen
Kompromiss vor, mit dem sie den Brexit ohne das leidige Problem des Backstop
umsetzen könnte. Es wäre das Norwegen-Modell plus Zollunion. Würde sich May
auf den Vorschlag einlassen, bekäme sie möglicherweise eine Mehrheit im Parlament. Alle
Europafreunde, alle Remainer, die irische Partei DUP und – das
gaukelt Corbyn May jedenfalls vor – große Teile von Labour ständen auf ihrer
Seite.

Corbyn weiß natürlich, dass May und die Hardliner niemals
auf seinen Vorschlag eingehen werden. Es wäre ein “Brexit nur dem Namen nach”,
aber es wäre ein Brexit ohne den verhassten Backstop.

Warum? Großbritannien würde mit der EU eine Zollunion bilden,
würde sich an die EU-Außenhandelspolitik und Freihandelsabkommen der EU halten.
Reibungsloser Handel mit der EU wäre garantiert, Lieferketten würden
funktionieren wie bisher. Corbyn schlägt zudem eine “enge Anbindung” an die EU
mit gemeinsamen Institutionen und Regeln vor. Das ist nichts anderes als das, was
Norwegen mit der EU hat: Die EU-Regeln werden eingehalten, es wird gezahlt,
aber dafür stände Großbritannien der Binnenmarkt offen. Corbyn schreibt, dass
sich Großbritannien explizit an die EU-Regeln für Arbeitsmarkt, Umwelt,
Industrie- und Wettbewerbspolitik halten werde.

Der Vorteil dieses Konzeptes: Weil ganz Großbritannien –
also auch Nordirland – auf diese Weise quasi Teil der EU-Zollunion und des
EU-Binnenmarktes blieben, könnte auf Grenzvorkehrungen zwischen der Republik
Irland und Nordirland verzichtet werden. Ein Backstop wäre nicht notwendig. Die
Nordiren – auch die DUP – wären glücklich.

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