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AfD: Das böse Wort vom Prüffall

Irgendwann in den vergangenen Stunden oder Tagen haben sie dann auch die Tweets gelöscht. Im Account des Bundesamts für Verfassungsschutz sind gleich mehrere Beiträge nicht mehr zu finden, die auf eine wichtige Pressekonferenz in der jüngeren Geschichte des Amtes verwiesen: Der neue Chef Thomas Haldenwang hatte am 15. Januar die AfD zum Prüffall erklärt. Auch die entsprechende Pressemitteilung ist mittlerweile von der Website des Amtes verschwunden.

Was ist passiert? Bei einem Prüffall sammeln die
Verfassungsschützer öffentlich zugängliches Material, es ist eine Vorstufe der eigentlichen Beobachtung durch den Verfassungsschutz.

Aber damit wollte sich die AfD nicht abfinden. Sie reagierte mit einem 97-seitigen Eilantrag an das Verwaltungsgericht Köln, über den Süddeutsche Zeitung,
WDR und NDR

am Mittwoch zuerst berichteten. Die Partei kritisiert darin die
Öffentlichkeitsarbeit des Bundesverfassungsschutzes. Die öffentliche
Mitteilung als Prüffall erschwere die “Ausübung der parteilichen
Tätigkeit” in “erheblichem Maße”, argumentiert die Partei. Es
fehle dem Bundesamt an einer juristischen Grundlage für diese
“öffentlich-diskreditierende Mitteilung”. Für jede Wiederholung
der Formulierung solle der Partei deshalb bis zu 10.000 Euro
Ordnungsgeld gezahlt werden, fordert die AfD.

Das Gericht hat nur gebeten

Dass der Verfassungsschutz schon jetzt, bevor überhaupt ein Gericht entschieden hat, die Tweets und die Pressemitteilung in vorauseilendem Gehorsam löscht – ist das ein Einknicken vor der AfD?

Einerseits ist der
Verfassungsschutz damit einer Bitte des Gerichts
nachgekommen. In einem Schreiben an die Anwälte der AfD, das ZEIT ONLINE vorliegt, steht, der Bundesverfassungsschutz wurde darum
gebeten, “die weitere Verbreitung bis zur gerichtlichen
Entscheidung zu unterlassen”. Gemeint ist die Verbreitung der
Aussage, dass die AfD ein Prüffall sei.

Andererseits handelt es sich dabei eben nur um eine Bitte, das Gericht hat die Löschung der Tweets und der Pressemitteilung nicht etwa angeordnet.

Trotzdem sei das vorsichtige Verhalten der Verfassungsschützer nachvollziehbar, sagt die Düsseldorfer
Parteienrechtlerin Sophie Schönberger. Das Amt wolle dem Gericht entgegenkommen. “Wenn der
Verfassungsschutz weiter über die Einstufung der AfD als Prüffall
berichten würde, würde er der AfD damit noch mehr in die Hände
geben. Die AfD könnte dann darauf bestehen, dass das Gericht noch
schneller entscheiden muss”, sagt Schönberger.

Wie geht es nun
weiter? Mit dem Antrag befasst ist die 13. Kammer am Gericht,
die zuständig für Verfahren gegen den Verfassungsschutz ist. Anders als bei einer Klage dienten Eilverfahren
dazu, zügig zu entscheiden; die Prüfung könne daher typischerweise
nicht so tief wie bei einem länger andauernden Klageverfahren
erfolgen, sagte der Gerichtspressesprecher Pierre Becker-Rosenfelder. Er rechnet mit einer Entscheidung innerhalb von vier Wochen. Derzeit habe die AfD beim Gericht
lediglich das Eilverfahren eingereicht, aber keine Klage, sagte er.

Eilantrag nur erster Schritt?

Juristin Schönberger glaubt
indes nicht,
dass der Eilantrag
Erfolg haben wird. Denn die
Hürden für einstweiligen
Rechtsschutz seien sehr hoch.

Es
sei allerdings ungewöhnlich, dass der Verfassungsschutz eine Partei
in einer Pressekonferenz zum Prüffall erklärt. In der Regel stünden
Verdachts- und Beobachtungsfälle im jährlich erscheinenden
Verfassungsschutzbericht. Schönberger sieht darin eine neue Form der
Kommunikationspolitik der Verfassungsschützer. Der Prüffall, also
eine Vorstufe der Beobachtung, ist im Bundesverfassungsschutzgesetz
auch gar nicht definiert. “Das ist eine behördeninterne Regelung”,
sagt Schönberger.

Das Bundesamt hat nun eine Woche Zeit, um gegen die
Antragsschrift der AfD zu argumentieren und dies dem Gericht
vorzulegen. Zusätzlich bestehe die
Möglichkeit für die Richter und Richterinnen, weitere Nachforschungen
anzustrengen, wenn dies erforderlich sein sollte, sagte er. Die
unterlegene Partei könne danach in die nächste Instanz ziehen.
Zuständig wäre das Oberverwaltungsgericht Münster.

Der Streit, wie das Bundesamt zum Fall AfD öffentlich kommunizieren darf, ist allerdings unabhängig von der Frage der eigentlichen Einstufung der Partei durch den Verfassungsschutz.

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