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Tierschutz: Willkür und Schikane

1300 Tiere leben im Hamburger Tierheim Süderstraße, sogar sechs Boa Constrictor und eine Akonda sind darunter. Der Hamburger Tierschutzverein betreibt damit das zweitgrößte Tierheim Deutschlands, versorgt Tiere, die von ihren Vorbesitzern oftmals ausgesetzt,
gequält, vernachlässigt
wurden. Die Tierschützer
haben also enorm viel zu tun – in jedem Fall Wichtigeres, als sich öffentlich
mit der Stadt anzulegen und einen handfesten Streit vom Zaun zu brechen, möchte
man meinen. Doch genau das tun sie gerade.

Nachdem der Streit offenbar schon lange im Hintergrund brodelte, hat sich das Tierheim nun mit deutlichen Worten an die Öffentlichkeit gewandt – und erhebt schwere
Vorwürfe gegen die Aufsichtsbehörde, also den Bezirk Mitte, genauer: gegen das Veterinäramt. Von “Wilkür” und “Schikane” ist die Rede, davon, dass der Bezirk versuche, die Arbeit der Tierschützer zu diskreditieren. Was ist
passiert?

Der Auslöser des Eklats klingt zunächst nach einer Nichtigkeit. Bei einer Kontrolle im Tierheim beschlagnahmten
Amtsveterinäre in der vergangenen Woche sechs Impfpässe. Die Begründung: Das Ausstellungsdatum sei
falsch. Das war es ganz offensichtlich, denn es lag in der Zukunft. Die Pässe waren damit
ungültig. Für 20 Hunde, das heißt, auch jene, die mit den betroffenen Hunden in
Gruppenhaltung lebten, wurde eine Isolierungsverfügung verhängt. Solange die
gilt, dürfen sie nicht weitervermittelt oder Gassi geführt werden.

Nach einem
Skandal klingt das eigentlich nicht. Doch aus Sicht der Tierschützer war die
Maßnahme rechtswidrig, weil “unnötig und unverhältnismäßig”. Die externe Tierärztin, die die EU-Impfpässe ausgestellt
hatte, habe ihren Fehler nämlich längst eingeräumt, sagt Frank Wieding,
Sprecher des Tierschutzvereins. Ein entsprechender Hinweis habe den Ausweisen
beigelegen, die Behördenmitarbeiter hätten sie aber trotzdem mitgenommen.
“Obwohl von den Hunden keinerlei Gefahr ausgeht!”, sagt Wieding. Alle Tiere
seien geimpft, mit einem Bluttest ließe sich das auch ganz einfach nachweisen.
Der Verein hat nun beim Leiter des Bezirks, Falko Droßmann, Beschwerde gegen
die “unrechtmäßigen Übergriffe” des Veterinärsamtes eingelegt.

Aus der Behörde heißt es: Wir tun nur unsere Pflicht

Doch auch die Behörde sieht sich im Recht. Begründet worden war der Einsatz mit dem Verdacht auf
“tierseuchenrechtliche Verstöße”. Näher erläutert haben die Amtstierärzte das
auf Nachfrage des Tierheims allerdings nicht, heißt es vom Tierschutzverein. War das Handeln der Behördenmitarbeiter unangemessen? “Als Aufsichtsbehörde ist es unsere Pflicht, die Einhaltung der
gesetzlichen Auflagen im Tierheim zu kontrollieren”, sagt Sorina Weiland,
Sprecherin des Bezirks Hamburg-Mitte, merklich empört. Von unrechtmäßigen
Schritten könne keine Rede sein, unangekündigte Kontrollen seien rechtlich
gedeckt. “Was hätten wir denn tun sollen? Hinweise einfach ignorieren?”

Die Behörde sieht kein eigenes Fehlverhalten. Doch bei genauerer Betrachtung wirft das Verhältnis von Tierschützern und Bezirk größere Fragen auf – vor allem jene, wie sich der Konflikt so hochschaukeln konnte. Der jüngste Vorfall steht in einer Reihe von kleineren Streitigkeiten zwischen
dem Veterinäramt und dem Tierheim. Immer wieder seien Tierpfleger und
Tierärzte zu einer Zeugenaussage in die Behörde vorgeladen, dort teilweise
mehre Stunden lang verhört worden, beschwert sich der Tierschutzverein. Er listet diese Fälle
akribisch genau auf, keinem der Mitarbeiter sei ein konkreter Anlass oder ein
Vorwurf genannt worden. Der Bezirk dementiert nicht.

Was steckt hinter den wiederholten Kontrollen ohne nähere Erklärung? Die Tierschützer vermuten, dass sich die Stadt am sogenannten Auslandstierschutz stören könnte: Seit 2014 holt das Tierheim regelmäßig Hunde aus zwei staatlichen
Hundelagern in Rumänien nach Hamburg. “Wir arbeiten mit einer sehr angesehenen
Organisation zusammen, haben eine amtliche Erlaubnis dafür und halten uns
stets ans Tierschutzgesetz”, sagt Tierheimsprecher Wieding. Die Tiere, die nun
unter der Isolierungsverfügung stehen, die daher gerade nicht vermitteln
werden können, stammten teilweise aus Rumänien.

Der Bezirk Mitte
hält sich dazu weitestgehend bedeckt. Er bestätigt immerhin, dass es
laufende Ermittlungen nach dem Tierschutz- und dem Tiergesundheitsgesetz im
Tierheim Süderstraße gebe, und dass auch “in jüngster Vergangenheit” schon
mehrfach ermittelt wurde. Zum Stand dieser internen Ermittlungen ist aber nicht
mehr zu erfahren. Welche konkreten Beschwerden aktuell gegen das Tierheim
vorliegen, will das Bezirksamt auch nicht sagen. 

Bisher liefen die Ermittlungen immer ins Leere

Geht
es im Kern also, wie so oft, wenn zwei Institutionen im Clinch stehen, um
mangelnde Kommunikation? Die Kontrollen an sich seien gar nicht das Problem,
sagt Wieding. “Natürlich
hat die aufsichtsführende Behörde die Aufgabe und das Recht, uns zu
kontrollieren. Sie hat aber kein Recht dazu, uns wegen Belanglosigkeiten
und Formfehlern zu schikanieren.” Man könne “mindestens erwarten, dass das
Bezirksamt die Vorwürfe gegen uns, die bislang nur nebulös im Raum stehen,
konkret benennt und begründet.”

Er spricht von “Bagatellen”, die “hochstilisiert” würden. Am Ende liefen
die Ermittlungen ohnehin ins Leere. Zu einer Verurteilung sei es nie gekommen,
auch ein Bußgeld sei nie verhängt worden. Ein gerichtliches Verfahren, etwa
wegen einer Ordnungswidrigkeit wurde bisher tatsächlich nicht eingeleitet,
bestätigt das Bezirksamt. Ob es noch dazu komme, lasse sich aber erst nach
Abschluss der behördeninternen Ermittlungen sagen. 

Was die Tierschützer empört, ist vor allem die Prioritätensetzung der Behörde. Das Veterinärsamt sollte seine Zeit
doch lieber dafür nutzen, seinen eigentlichen Tierschutz-Aufgaben in der Stadt nachzukommen
– und Hinweisen auf Tierquäler und illegale Welpenhändler endlich konsequenter
nachgehen, heißt es vom Tierschutzverein. Wenn man den Verkauf kranker oder nicht geimpfter
Tiere meldete, habe es von behördlicher Seite schon mal geheißen: “Leider
keine Zeit.” Auch das streitet die Behörde freilich ab. “Natürlich gehen meine
Kollegen allen Hinweisen nach, gerade zur Weihnachtszeit waren sie da sehr
aktiv”, sagt Sprecherin Weiland.

Auf der einen
Seite stehen also die Tierschützer, die sich durch Kontrollen gegängelt fühlen
und fürchten, das Tierheim könne dadurch in ein schlechtes Licht gerückt
werden. Bei einem Verein, der sich durch Spenden finanziert und daher ganz
besonders auf einen guten Ruf angewiesen ist, eine durchaus nachvollziehbare
Sorge. Auf der anderen Seite: Tierärzte, die im Auftrag der Stadt dafür sorgen
sollen, dass alle gesetzlichen Auflagen im Heim erfüllt werden – und sich
völlig im Recht sehen. Am Ende steht Aussage gegen Aussage, es geht um Ermessensspielräume,
die Frage: “Wer hat Recht?” ist nicht leicht zu beantworten. Die Gräben
scheinen sich indes immer weiter zu vertiefen.

Und so schwelt in Hamburg seit
Monaten schon ein Streit um den Tierschutz vor sich hin, obwohl alle
Beteiligten eigentlich ein gemeinsames Interesse haben sollten: Tiere zu
schützen. 

 Dies ist ein Artikel aus dem Ressort ZEIT:Hamburg. Hier finden Sie weitere News aus und über Hamburg.

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