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INF-Vertrag: Ein Geschenk aus Washington

Es sind Auftritte, die Wladimir Putin liebt. Bei denen alles nach seinem Plan läuft. Kurz nachdem die USA ihren offiziellen Rückzug vom INF-Vertrag verkündet hatten, bat der Kremlherr Außenminister Sergej Lawrow und Verteidigungsminister Sergej Schoigu zu sich. Beide sollten ihn – vor laufenden Kameras – über die Situation ”in der Sphäre der Beschränkungen von Angriffswaffen” unterrichten.

Doch natürlich ist da längst klar, was passieren wird: Man habe alles versucht, um den INF-Vertrag zu retten, erklärt Lawrow. Und man könne jetzt mit der Entwicklung neuer Waffensysteme starten, führt Schoigu aus. “Einverstanden”, erklärt der Kremlherr darauf. “Wir werden spiegelbildlich antworten.”

Diese für Wladimir Putin magischen Worte sollen es ihm erlauben, jede Verantwortung von sich zu weisen: Die Amerikaner haben angefangen, wir tun es ihnen gleich. Russische Staatssender werden später lange Ausschnitte vom Treffen zeigen. Zumindest auf der Propagandaebene sieht sich Wladimir Putin auf der Siegerseite. Am Dienstag ließ er seinen Verteidigungsminister die Entwicklung neuer Raketen und Waffensysteme ankündigen.

Putins Beliebtheit nimmt ab

Schon seit Wochen hatte sich abgezeichnet, was Experten lange befürchtet haben und nun Realität geworden ist. Mit seiner Entschlossenheit den INF-Vertrag über nukleare Mittelstreckensysteme wegen möglicher Verletzungen seitens der russischen Vertragspartner zu kündigen, hat Donald Trump bei Wladimir Putin offene Türen eingerannt. Nicht nur, weil der Herr im Kreml derzeit wieder ein wenig außenpolitische Konfrontation, ohne dabei neue Sanktionen zu riskieren, gut gebrauchen kann.

Putins Beliebtheit nimmt in Russland schon seit Monaten auffällig ab. Eine Anhebung des Renteneintrittsalter, steigende Benzinpreise und die Erhöhung der Mehrwertsteuer von 18 auf 20 Prozent waren unpopuläre Maßnahmen seiner Regierung, die notwendig wurden, um die makroökonomische Stabilität des wirtschaftlich angeschlagenen Landes sicherzustellen. Doch viele Russen, die für Putin gestimmt haben, ärgern sich darüber.

Die vermeintliche Ablenkung von inneren Problemen dürfte für Wladimir Putin aber nicht der wichtigste Grund gewesen sein, sich über den US-Ausstieg zu freuen. Schon bei seiner berühmten Rede auf der Münchener Sicherheitskonferenz im Jahr 2007 wies Putin darauf hin, dass der INF-Vertrag keinen “universellen Charakter” habe. Und dass Länder wie Nord- und Südkorea, Indien, Iran, Pakistan und Israel die entsprechenden Raketen hätten, während nur die USA und Russland die Verpflichtung hätten, auf solche Waffensysteme zu verzichten. “Klar ist, dass wir gezwungen sind, uns über unsere Sicherheit Gedanken zu machen”, erklärte Russlands Präsident in München. 

Von Platz acht auf Platz zwölf

Seine Kritik galt damals vor allem der geplanten amerikanischen Raketenabwehr in Osteuropa, die aus russischer Sicht das eigene Angriffspotenzial schmälert. Doch auch die Angst in den Reihen der mittleren Mächte weiter abzusteigen, ist seitdem zunehmend realer geworden. In den letzten fünf Jahren fiel Russland, vor allem wegen des schwachen Wirtschaftswachstums sowie der Rubelabwertung im Zuge des deutlich gesunkenen Ölpreises, von Platz acht auf Platz zwölf der größten Volkswirtschaften der Erde. Hinsichtlich der Größe der eigenen Volkswirtschaft hat es nach Berechnungen des Internationalen Währungsfonds längst den Anschluss an China und Indien verloren und kann gerade noch mit Südkorea mithalten.

Anders als in Sachen Wirtschaftskraft muss sich Russland aber zumindest militärisch noch nicht verstecken. Schon vor über zehn Jahren hatte der damalige Verteidigungsminister Sergej Iwanow bei einem Auftritt in der Duma erklärt, dass der INF-Vertrag und der Verzicht auf Mittelstreckenraketen ein Fehler gewesen seien. Seitdem spekulieren russische Experten darüber, dass Raketensysteme wie die bereits entwickelte Iskander-K über eine größere Reichweite verfügen, als die erlaubten 500 Kilometer. 

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