/Ganz in Weiß: Wie man Donald Trump ohne Worte die Schau stiehlt

Ganz in Weiß: Wie man Donald Trump ohne Worte die Schau stiehlt

Ganz in Weiß: Wie man Donald Trump ohne Worte die Schau stiehlt

© J. Scott Applewhite/AP/dpa

Bei der Rede zur Lage der Nation haben die Demokratinnen gezeigt, wie man Trump zur Weißglut bringt: Viele erschienen im Einheitslook – und applaudierten sich selbst.

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Frauen haben es gut, sie können sehr viel signalisieren, ohne den Mund aufzumachen. Ein Mann im Anzug ist ein Mann im Anzug ohne weitere Eigenschaften, mal abgesehen davon, dass man ihm Modesinn oder Geschmacklosigkeit unterstellen kann. Eine Frau, die sich Gedanken über ihre Kleidung gemacht hat, kann der ganzen Welt eine Botschaft übermitteln, ganz ohne Worte: Wie sie die Welt sieht, was sie von der Welt erwartet, was sie der Welt zu sagen hat.

Ja, die Wahl der richtigen Kleidung kann für eine Frau mächtige Folgen haben. So war es nun bei Donald Trumps Rede zur Lage der Nation zu sehen. 102 der 435 Abgeordneten des im November 2018 neu gewählten Repräsentantenhauses sind Frauen, mehr als je zuvor. Viele von ihnen – sofern sie zu den Demokraten gehören – erschienen zu Trumps zweitem State-of-the-Union-Besinnungsaufsatz-Aufsagen im weißen Hosenanzug oder mit weißem Jackett. Das ergab schon mal vorab ein Gruppenbild, mit dem sie dem Präsidenten die Schau stehlen konnten, bevor Donald Trump auch nur ein Wort von sich gegeben hatte: Die New Yorker Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez beispielsweise war mit extravagant ausschweifenden Cape-Ärmeln zu sehen, die Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, im perfekt geschnittenen, eleganten Sakko. Und die meisten favorisierten auch darunter Weiß, in Form schlichter, schmuckloser, eng anliegender T-Shirts.

Spätestens damit setzt sich eine lange Assoziationskette in Gang: Samurai tragen Weiß unter ihrer Rüstung, es symbolisiert ihre Bereitschaft, bis zum Äußersten zu gehen. Die Suffragetten haben Weiß gewählt, als sie für die Rechte der Frauen auf die Straße gegangen sind. Weiß ist die Farbe der Reinheit und der Unschuld, siehe Brautkleid, es ist die Farbe der Trauer, siehe Buddhismus, und es steht in der christlichen Liturgie für das Erhabene, Heilige. Weiß ist keine Spektralfarbe, sondern ein Gemisch aus Einzelfarben, das wie die Reflektion von Sonnenlicht wirkt – deswegen erscheint uns eine Frau in Weiß wie eine strahlende Heldin. Ein Mann im weißen Aufzug sieht dagegen aus wie der Onkel Doktor, der sich mal was Flottes angezogen hat. Ihm bleibt nur das blaue oder graue Dunkel des bürgerlichen Anzugs, der so gleichförmig wie eine Uniform ist.

In den Reihen der Abgeordneten konnten die Frauen in Weiß zeigen: Hier sind wir – und wir sind viele. Sie wurden nicht nur sichtbar, sondern beanspruchten auch ihren Raum für sich in der Politik: indem sie sich selbst applaudierten, als Trump davon sprach, dass speziell Frauen von der starken amerikanischen Wirtschaft profitierten. 

Vielleicht haben die Politikerinnen von Hollywood gelernt: Vor etwas
mehr als einem Jahr waren die zur Verleihung
der Golden Globes eingeladenen Frauen in Schwarz erschienen, #AllBlackEverything war eine Verabredung im Zeichen von #MeToo, es galt,
sich gegen Sexismus und Machtmissbrauch zu positionieren. Die Signalwirkung war groß – und das ist sie bei den #WhiteSuits nun auch, was man schon am Grad der Ablehnung auf Twitter erkennen kann: Dort wird der weiße Komplettlook mit dem Ku-Klux-Klan in Verbindung gebracht – verdrehter geht es kaum.

Blöd ist nur: Man kann die Stilregel der Monochromie in Zukunft nicht unbegrenzt anwenden. Entschlösse sich eine größere Gruppe Frauen, in Kirschrot aufzumarschieren, sähe das vermutlich wie eine Kampagne für Mon Chéri aus, in Grün und Blau wäre der Effekt auch nur eher Wald oder Meer. Schwarz und Weiß sind nun leider durch, aber das war es wert. Das Allerbeste an den #WhiteSuits der Demokratinnen ist doch, dass diese Frauen Donald Trump mit seinen eigenen Waffen geschlagen haben – schließlich ist er es, der Frauen allzu oft auf ihr Äußeres reduziert hat.

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