/Soziale Kontakte: “Tausend Xing-Kontakte, die nicht wissen, wer ich bin, bringen nichts”

Soziale Kontakte: “Tausend Xing-Kontakte, die nicht wissen, wer ich bin, bringen nichts”

ZEIT ONLINE: Frau Onaran, wie viele Visitenkarten sollte ich von der nächsten Konferenz mitbringen?

Onaran: Gar keine. Es gibt dieses Spiel, das ich Visitenkartenroulette nenne. Auf Veranstaltungen tauschen alle im Kreis ihre Visitenkarten aus und zu Hause verschwinden sie dann in irgendeinem Kästchen. Mein Tipp lautet: Nimm dein Handy mit auf Veranstaltungen und füge die Menschen, die du kennenlernst, auf einer digitalen Plattform hinzu. Also auf Xing, LinkedIn oder Twitter. Das ist ein viel nachhaltigeres Netzwerken: So kann man sehen, womit die andere Person sich beschäftigt, und auch selbst zeigen, was man so macht. Eine Visitenkarte ist für mich das Zeugnis einer alten Garde der Networker. 

ZEIT ONLINE: In den sozialen Medien geht es doch in erster Linie darum, wer am meisten Follower und Likes hat. Bringen diese Kontakte wirklich etwas für die Karriere?

Onaran: Mit Nachhaltigkeit meine ich, dass man sich auf den Plattformen ausführlich mit einem Kontakt auseinandersetzen kann. Bevor ich Leute auf analogen Veranstaltungen treffe, kann ich recherchieren: Wie beschreibt sich die Person? Was beschäftigt sie? Wo liegen eventuelle Gemeinsamkeiten? Daran kann ich bei einem Treffen anknüpfen. Man muss nicht über das Wetter reden, sondern kann direkt über Dinge sprechen, die einen wirklich interessieren – und auch, ob man in Zukunft zusammenarbeiten möchte.

ZEIT ONLINE: Wie viele Follower brauche ich, um ein gutes Netzwerk zu haben?

Onaran: Ich sage immer: Klasse statt Masse. Ich kann 1.000 Kontakte auf Xing haben, doch es bringt mir nichts, wenn diese 1.000 Kontakte zum einen nicht wissen, wer ich bin, und zum anderen nicht reagieren, wenn ich ihnen schreibe. Hat man nur fünf Kontakte, weiß aber, die kann ich anrufen und sie helfen mir weiter, dann sind diese Kontakte viel mehr wert.

“Es geht beim Netzwerken nicht darum, beste Freunde zu finden.”

Tijen Onaran

ZEIT ONLINE: Woran erkenne ich so einen Klassekontakt?

Onaran: Die Qualität eines Kontakts zeigt sich immer dann, wenn man ein konkretes Anliegen hat, also zum Beispiel einen Rat braucht. Wenn die Person dann nicht oder nur oberflächlich reagiert, ist sie kein guter Kontakt. Ich würde empfehlen, das schon früh auszutesten.

ZEIT ONLINE: Wen sollte ich noch in mein Netzwerk aufnehmen?

Onaran: Netzwerken fängt immer bei einem selbst an. Man muss sich überlegen: An welchem Karriereschritt bin ich? Was möchte ich erreichen? Von wem kann ich das lernen? Dazu muss man auch wissen: Was kann ich richtig gut und was richtig schlecht? Von diesen Fragen hängt ab, wen man in sein Netzwerk aufnehmen sollte – nämlich die Leute, die einen weiterbringen. Mein Tipp ist: Umgib dich mit Menschen, die dir neue Sichtweisen aufzeigen. Je diverser ein Netzwerk ist, desto besser. Menschen mit anderen Ansichten sagen auch mal: “Ich glaube, du verrennst dich.” Es geht beim Netzwerken nicht darum, beste Freunde zu finden, es geht darum, dass man sich weiterentwickelt und anderen hilft, es ebenfalls zu tun.

ZEIT ONLINE: In Ihrem Buch gibt es eine 14-Tage-Challenge, bei der man richtiges Netzwerken lernen soll. Womit soll man konkret anfangen?

Onaran: Ein wichtiger Tipp: Geh alleine auf Veranstaltungen. Als ich mit 17 Jahren angefangen habe, mein Netzwerk aufzubauen, habe ich das immer gemacht. So war ich gezwungen, mit anderen in Kontakt zu kommen. Also: Überwinde deine Angst, stelle dich zu Leuten dazu und beginne ein Gespräch.

“Wenn man Gastgeber ist, ist man automatisch der Verknüpfungspunkt.”

ZEIT ONLINE: Einfach fremde Menschen anzusprechen, fällt nicht allen leicht. Gerade Introvertierte finden das schwer.

Onaran: Für Introvertierte habe ich zwei Tipps. Erstens: Interessante Menschen schon vor dem potenziellen Treffen auf einem Networking-Event anschreiben: “Hey, ich habe gesehen, du gehst auch auf die Veranstaltung. Ich hoffe, wir sehen uns.” Dann kann man die Person viel leichter ansprechen. Der zweite Tipp: Werde selbst zum Gastgeber. Lade deine Kontakte zu einem Treffen ein und bitte sie, ihre Kontakte mitzubringen. Wenn man Gastgeber ist, ist man automatisch der Verknüpfungspunkt.

ZEIT ONLINE: Woran merkt man nach den 14 Tagen, dass man richtig netzwerkt?

Onaran: Daran, ob andere Leute einen kontaktieren, ohne dass man selbst etwas tut. Wenn das Netzwerk, das man in den 14 Tagen geknüpft hat, stark ist, wird man weiterempfohlen.

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