/Grundrente: Kanzlerin Merkel sieht Pläne von Heil mit Zurückhaltung

Grundrente: Kanzlerin Merkel sieht Pläne von Heil mit Zurückhaltung

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erwartet eine Klärung zur
Finanzierbarkeit der geplanten Grundrente. Finanzminister Olaf Scholz
(SPD) habe nachdrücklich darauf hingewiesen, dass die langen Jahre hoher
Steuereinnahmen nicht als selbstverständlich anzusehen seien, sagte die
stellvertretende Regierungssprecherin Martina Fietz.
Daher lege die Kanzlerin Wert darauf, “dass die Positionen des
Arbeitsministers und des Finanzministers zusammengeführt werden”. Voraussetzung für den
Bezug der Grundrente solle dem Koalitionsvertrag zufolge eine Bedürftigkeitsprüfung sein. “Das ist die
gemeinsame Arbeitsgrundlage der Koalition.”

Die Pläne von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sehen vor, dass Millionen Geringverdiener nach einem langen Arbeitsleben automatisch
höhere Renten bekommen sollen. Kleine Renten sollen um bis zu 447 Euro
im Monat aufgestockt werden. Zustehen soll die Grundrente all jenen, die
mindestens 35 Jahre mit Beitragszahlung, Kindererziehung oder
Pflegetätigkeit aufweisen.

Unterstützung erhielt Heil aus der eigenen Partei. “Das ist SPD pur”, nannte die rheinland-pfälzische
Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) die Pläne ihres Parteikollegen in der ARD am Sonntagabend.
Menschen, die so lange arbeiteten, müssten am Ende auch eine Rente
haben, die über der Grundsicherung liege. Auch SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach verteidigte den Plan von Heil. CDU und CSU wollten mit der Abschaffung des Solidaritätszuschlags die reichsten Prozent der Bevölkerung mit zehn Milliarden Euro beschenken, sagte der Politiker der Passauer Neuen Presse. “Die Union will Steuern für Reiche senken. Die SPD will den ärmsten Rentnern helfen.”

CDU und CSU kritisieren die hohen Kosten der geplanten Grundrente. CDU-Haushaltspolitiker Eckhardt Rehberg sagte der Bild, er hoffe nur, dass Heil
seinen Vorschlag mit Finanzminister Olaf Scholz (SPD) abgesprochen habe “und dieser ihm vier bis sechs Milliarden jährlich zur Verfügung
stellt”. Steuererhöhungen und neue Schulden seien dafür nicht zu machen.

Drei bis vier Millionen jetzige und künftige
Rentner sollen von der Grundrente profitieren. Arbeitsminister Heil rechnet mit
Kosten in mittlerer einstelliger Milliardenhöhe pro Jahr, finanziert
werden soll das aus Steuermitteln. In Kraft treten soll die Regelung
spätestens zum 1. Januar 2021.   

“Da müssen auch Spitzenverdiener ran”

Ein Kritikpunkt der Union ist, dass das Konzept über den Koalitionsvertrag hinausgehe. Der Vertrag sieht etwa ausdrücklich eine Bedürftigkeitsprüfung vor. Auf die will Heil aber verzichten. CDU-Sozialpolitiker Peter Weiß hatte am Sonntag gesagt, man wolle
ein differenziertes System, bei dem die Rente je nach Bedarf
aufgestockt werde. Finanziert werden soll dies aus Sicht der Union über
die Rentenversicherung. CSU-Experte Stephan Stracke warnte vor einer “Rentenpolitik mit der Gießkanne”.

Allerdings ist nicht die gesamte Union gegen die Grundrente. Der CDU-Sozialflügel äußerte sich positiv: Der Vizechef der Christlich Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA),
Christian Bäumler, sagte dem Handelsblatt, die Aufstockung von
Entgeltpunkten bei Geringverdienern sei zu begrüßen. “Das Konzept ist
leistungsorientiert, da es an den erworbenen Rentenansprüchen anknüpft.” Auch die Steuerfinanzierung hält der CDU-Politiker für richtig: “Die
Vermeidung von Altersarmut ist eine Aufgabe, die die gesamte
Gesellschaft solidarisch tragen soll. Da müssen auch Spitzenverdiener
ran.” 

Diese Sichtweise teilt die Deutsche Rentenversicherung. Die Aufstockung niedriger Renten sei eine gesamtgesellschaftliche
Aufgabe. “Wenn eine neue Leistung kommt, dann ist sie in vollem Umfang
aus Steuermitteln zu finanzieren”, sagte ein Sprecher.

“Ein höchst gelungener Aufschlag”

Unterstützung kam auch vom Deutschen Gewerkschaftsbund und dem
Paritätischen Wohlfahrtsverband. Dessen Verbandsgeschäftsführer Ulrich Schneider sprach in den Zeitungen des
Redaktionsnetzwerks Deutschland von einem “höchst
gelungenen Aufschlag”. Es sei erstmalig ein Modell für eine echte
Grundrente “und nicht für eine Sozialhilfe plus”.

Aus der Opposition kamen kritische Stimmen. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sprach von einem Schritt in
die richtige Richtung, bezweifelte aber die Finanzierbarkeit. Die
Koalition sei mit der Mütterrente II bereits eine teure Verpflichtung
eingegangen. “Es ist nicht erkennbar, woher die Finanzierungsspielräume
für Heils milliardenschwere Grundrente kommen sollen”, sagte sie den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

FDP-Chef
Christian Lindner nannte die Pläne ungerecht. “Dann wird sich
irgendwann einer fragen: Wenn ich 35 Jahre eingezahlt habe und relativ
mehr eingezahlt habe – wieso bekommt der andere einen Steuerzuschuss?”,
sagte er am Sonntagabend in der ARD. FDP-Generalsekretärin Nicola Beer wies den Rentenplan in der Bild als “unfair und populistisch” zurück. Statt gezielt etwas
gegen Altersarmut zu tun, wolle Heil “riesige Ausgaben zulasten der Allgemeinheit machen, ohne dass der, der
gearbeitet und vorgesorgt hat, mehr hat als derjenige, der das nicht
getan hat”.

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