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Banksy: Erst kaputt ist es so richtig Kunst

Die Tür ist weg. Und mit der Tür ist ein zartes
Graffito verschwunden, das Bild eines weinenden Mädchens, das der Street-Art-Künstler Banksy
dort, am Hintereingang des Pariser Musikclubs Bataclan, nach dem Terroranschlag 2015
aufgesprüht hatte. Vermutlich hoffen nun die Räuber auf irgendeinen Sammler, der ihnen die
Tür, sprich die Kunst, teuer bezahlt. Erst im Oktober war ein Banksy-Werk in London
versteigert worden, für 1,2 Millionen Euro.

Im Grunde muss sich der Künstler, dessen wahre Identität unbekannt ist, nicht weiter über den Diebstahl ärgern. Fast alle seine Werke verschwinden früher oder später, werden übermalt oder weggekärchert, denn niemand hat diese Kunst bestellt, sie ist einfach irgendwann da, schmückt eine Brandwand oder ein Garagentor, wird von vielen fotografiert, bleibt in den sozialen Welten des Internets auf immer gegenwärtig – und ist deshalb in der realen Welt verzichtbar. Das ist die Banksy-Logik: Seine Bilder gehören allen, sie wollen nicht Uni-, sie wollen Plurikat sein. Frei von den Zwängen des Marktes, frei von Galerien, Museen und all den anderen Gatekeepern.

Doch leider lieben die Gatekeeper nichts mehr als ebendiesen Freiheitsdrang. Und so darf nichts unversucht bleiben, diesen Drang für die eigenen Zwecke auszubeuten. Banksy war angetreten, eine alternative Ökonomie zu prägen: Der Tauschwert seiner Kunst sollte nicht im Geldwert liegen, sondern allein im Tauschen selbst, im digitalen Weiterreichen einer kostenlosen Gabe. Doch was sahen die Diebe, als sie das Bild auf der Tür erblickten? Sie sahen das potenzielle Kapital. Und zumindest das dürfte Banksy verärgert haben. Gescheitert ist sein Traum einer geldfernen Kunst.

Dieses Scheitern hatte sich schon auf der mittlerweile berühmten Auktion in London überdeutlich angekündigt. Eigentlich wollte Banksy einmal mehr seine Unabhängigkeit beweisen. Deshalb war er auf die Idee verfallen, sein Bild, das
Girl with Balloon,
mit einem dicken Goldrahmen zu versehen, darin verborgen ein Reißwolf, der just in dem Moment sein Schredderwerk begann, als der Hammer des Auktionators gefallen war. Großes Erstaunen bei allen Beteiligten – als hätten sich lauter 100-Euro-Scheine in Lametta verwandelt.

Die Käuferin sei zunächst “schockiert” gewesen, teilte das Auktionshaus Sotheby’s später mit. Dann aber habe sie im Lametta ihr “eigenes Stück Kunstgeschichte” erkannt. Anders als von Banksy vorgesehen, hatte sich sein Werk nicht in Gänze zerstört, sodass es nun weder heil noch kaputt ist, dafür aber recht pittoresk aussieht. Und so entschied sich die Käuferin dafür, das
Girl
zu behalten und damit ihren Besitzwillen über den Enteignungswunsch des Künstlers zu stellen. Der hatte sein Objekt unterdessen umgetauft: Per Internet ließ er wissen, es heiße nun
Love is in the Bin. Frei übersetzt: alles im Eimer, nur noch Schrott.

Aber so leicht ließ man Banksy nicht davonkommen. Er wollte ein bürgerliches, von Kennerschaft und Besitzerstolz geleitetes Publikum verspotten – und musste am Ende feststellen, dass er einem falschen Feindbild aufgesessen war. Nicht Bildung ist das Problem, sondern jene Dummheit, die auch billigste Ironie teuer belohnt und jeden Spott als schönen Kitzel goutiert.

Als Selbstironisierung war das
Balloon Girl
ursprünglich gemeint gewesen. Banksy hatte das Motiv bereits mehrfach auf Hauswände gesprüht, als er sich 2006 dafür entschied, eine klischeehafte, irgendwie witzig gemeinte Version herzustellen: auf Leinwand! Mit Goldrahmen! Ein unbanksyhafter Banksy. Doch gerade das erschien Sotheby’s als besonders verlockend. Im Begleittext der Auktion lobte es das Bild als “kitschiges Pathos-Emblem” und sah in der Geschmacklosigkeit ein Verkaufsargument.

Ähnlich zeigte das Auktionshaus auch nach der Schredderaktion seine meisterlichen Umdeutungskünste: Nunmehr sei der Objektwert gestiegen, wurde verlautbart, denn man sei Zeuge nicht einer Zerstörung, sondern einer Schöpfung geworden. Ein Wunder: das “erste Kunstwerk der Geschichte, das live während einer Auktion entstanden ist”.

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