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Immobilienboom: Der Profiteur der Wohnungsnot

Keine Frage, die
Politik kennt das Problem: Bezahlbares Wohnen ist eines der zentralen Themen
der großen Koalition, das entsprechende Kapitel im Koalitionsvertrag
umfasst mehrere Seiten. Bisher haben SPD und Union aber nur die Mietpreisbremse
und das Baukindergeld auf den Weg gebracht – obwohl beides nach Ansicht vieler Ökonominnen das
Problem nicht löst, Letzteres sogar Fehlanreize setzt. Auch der Neubau von Wohnungen in den Städten kommt kaum voran. Über all das kann man
sich wundern. Oder sich drei Zahlen ansehen, die vieles erklären:


103000000000 Euro


zusätzliche Steuereinnahmen


im Immobilienbereich seit 2009

Seit 2009,
dem Beginn des Immobilienbooms in Deutschland, hat der Staat bis Ende 2017
insgesamt 103 Milliarden Euro zusätzlich eingenommen. Das hat Immobilienökonom
Günter Vornholz von der EBZ Business School Bochum ermittelt. Die Summe
entspricht rund einem Siebtel des aktuellen Bundeshaushalts. Die jüngsten
Steuereinnahmen aus dem Jahr 2018 kommen noch dazu, großzügig gerundet könnte
man am Ende auf knapp 110 Milliarden Euro kommen. Das sind wohlgemerkt nicht
die gesamten Steuereinnahmen aus Immobiliengeschäften und der Bauwirtschaft
seit 2009 – diese liegen noch weitaus höher –, sondern es sind nur
Zusatzeinnahmen, die der Staat im Vergleich zu den Jahren vor 2009 einnahm.

Ohne Immobilienboom keine schwarze Null

Natürlich
sind vor allem die Einnahmen aus der Grundsteuer und der Grunderwerbsteuer gestiegen,
aber auch die Lohn- und Gewerbesteuern der Bauindustrie werfen heute deutlich
mehr Geld ab. Allein aus diesen Steuern erzielte die Bundesrepublik im vergangenen Jahr rund 21 Milliarden Euro
zusätzliche Steuern im Vergleich zu 2009, hat der Ökonom Vornholz berechnet. Im Grunde könnte
man sagen: Ohne Immobilienboom keine schwarze Null. Denn auch dank des explodierenden
Wohnungsmarkts konnte die Bundesregierung 2017 ein Haushaltsplus von 37
Milliarden Euro verkünden. Da wirkt die
eine Milliarde Euro, die der Staat in diesem Jahr den Bundesländern überweist,
um sie beim Bau von Sozialwohnungen zu unterstützen, nicht gerade üppig.

Für seine
Berechnungen hat Vornholz nur jene Steuern aufsummiert, die sich eindeutig der
Bauindustrie sowie den Immobilienkäufern und Besitzern zurechnen lassen. Im
Grunde müsste man noch weitere Posten addieren: die Steuern, die Makler und
Notare zahlen, weil sie ebenfalls kräftig an den steigenden Preisen
mitverdienen. Ebenso die höheren Steuern, die Vermieter wegen höherer
Mieteinnahmen zahlen, die sich aber nur schwer isolieren lassen. Auch die
Erträge der bundeseigenen Liegenschaftsverwaltung Bima, die laut eigenen
Aussagen seit 2009 Grundstücke im Wert von knapp vier Milliarden Euro zur
Bebauung veräußert hat, müssten in eine umfassende Bewertung einfließen. Zählt
man all das zusammen, “dann kann man schon den Staat als großen Profiteur des
Immobilienbooms sehen”, sagt Vornholz.

Egal, ob
Grundstück-, Haus- oder Wohnungsverkauf: Die Grunderwerbsteuer fällt bei jeder
Immobilientransaktion an. 2017 nahm der Staat rund 13 Milliarden Euro ein, das
waren 267 Prozent mehr als noch 2009. Inzwischen ist die Grunderwerbsteuer
sogar die achtgrößte Einzelsteuer der Republik. Die Einnahmen steigen weiter, aber
nicht, weil die Zahl der Immobilientransaktionen pro Jahr steigt, diese
stagnieren neuerdings. Es liegt allein daran, dass die Preise für Immobilien
klettern und mit ihnen der prozentuale Anteil für den Staat. Die
Grunderwerbsteuer landet allerdings nicht direkt beim Bund, sondern bei den
Bundesländern.


267 Prozent


zusätzliche Einnahmen


aus der Grunderwerbssteuer seit 2009

Dort liebt man
die Grunderwerbsteuer. Denn es gibt eine Sonderregelung, wonach die Einnahmen
nicht beim Länderfinanzausgleich berücksichtigen werden. Die Landesregierungen
dürfen sie komplett behalten. Deshalb nutzen viele Bundesländer die
Grunderwerbsteuer, um ihre Haushaltslage zu verbessern.

Bis 2006 lag
der Steuersatz noch in allen Bundesländern einheitlich bei 3,5 Prozent. Seit
Beginn des Immobilienbooms aber haben beinahe alle Länder die Sätze erhöht,
manche sogar fast verdoppelt. Dank steigender Verkaufszahlen und anziehender
Immobilienpreise bringt das so die dreifachen Einnahmen. Einzig Bayern und
Sachsen zogen bei der Erhöhung nicht mit. Dagegen verlangen
Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein, Brandenburg, Thüringen und das
Saarland inzwischen 6,5 Prozent Steuern dafür, dass ein Bürger dem anderen ein
Haus oder eine Wohnung abkauft.

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