/Verkehr: Wie breit muss eine Straße sein?

Verkehr: Wie breit muss eine Straße sein?

Bei uns soll die Bundesstraße durch den Ortskern
von Grund auf erneuert werden. Die Gehwege auf beiden Seiten sollen jeweils
1,50 Meter breit sein, Parkplätze beidseits je zwei Meter, die Fahrbahn soll
selbst 6,50 Meter breit sein. Man hat uns versichert, dass es sich dabei um die
jeweiligen zulässigen Minimalbreiten handelt, eine Geschwindigkeitsbeschränkung
oder ein generelles Überholverbot sind nicht vorgesehen. Die notwendigen Sicherheitsabstände
lassen sich auf dieser Fahrbahn allerdings nicht einhalten. Ein Radfahrer zum
Beispiel muss einen Meter Abstand von parkenden Fahrzeugen halten; er selbst
ist von Ellbogen zu Ellbogen einen Meter breit. Lastwagen (2,50 Meter Breite)
sollten mindestens 1,50 Meter Abstand halten und selbst von den parkenden
Fahrzeugen einen Abstand von einem Meter einhalten. Das ergibt zusammen schon
sieben Meter. Es wird trotzdem überholt werden. Meines Erachtens sollten die
Sicherheitsabstände auch bei Begegnungen eingehalten werden, doch zwischen zwei
Autos, zwischen Pkw und Lastwagen oder gar zwei Lastwagen oder Bussen wird es
erst recht eng. Ist die Bauplanung rechtens?, fragt ZEIT-ONLINE-Leser Joachim
Hönes aus Zwingenberg.

Jeden
Tag verschwinden hierzulande rund 102 Hektar Wald, Ackerland und Wiesen. Das
entspricht mehr als einem Quadratkilometer Land, das für Straßen, Schienen,
Siedlungen und Parkplätze zubetoniert wird. Die Bundesregierung hat sich das
ambitionierte Ziel gesetzt, diesen enormen Flächenverbrauch bis 2020 auf 30
Hektar pro Tag zu reduzieren
. Doch darf darunter die Sicherheit auf Straßen
leiden, weil sie weniger breit gebaut werden, als notwendig wäre?

Wie
Straßen in einer Stadt gestaltet sein sollten, legen die sogenannten
Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen (RASt 06) fest, die von der
Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen in Köln herausgegeben
werden. “Die Richtlinien nutzen fast alle Bundesländer”, sagt Stefan Herbers,
Fachanwalt für Verkehrsrecht in Oldenburg.

Die
unterschiedlichen Ansprüche der Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer
spielen bei der Planung von Stadtstraßen eine besonders große Rolle. “Vielfach
ist es nötig, die Ansprüche des motorisierten Individualverkehrs an
Geschwindigkeit und Komfort zu reduzieren, um Fußgänger und Radfahrer sowie
den öffentlichen Personennahverkehr zu fördern. Das lässt die RASt 06 zu”, sagt
Herbers und fügt hinzu: “Laut der Richtlinie sollen Hauptverkehrsstraßen im
Regelfall mindestens 5,50 bis 7,50 Meter breit sein.”

Deshalb
entspreche die Planung im geschilderten Beispiel auch dem Standard, erklärt der
Fachjurist. Die Planungen der Kommune seien nicht zu beanstanden. Herbers räumt
aber ein, dass bei dieser Straßenbreite Probleme im sogenannten Begegnungsverkehr entstehen
können – insbesondere dann, wenn alle den notwendigen Seitenabstand einhalten.
“Teilweise wird das sogar als Argument für eine schmalere Fahrbahn angesehen,
damit die Verkehrsteilnehmer langsamer und damit sicherer fahren”, sagt
Herbers.

Aber auch bei der vom Leser beschriebenen
Fahrbahngestaltung ist der jeweilige Sicherheitsabstand einzuhalten. “Wenn er unterschritten
wird und es zu einem Unfall kommt, dann haftet der Verkehrsteilnehmer, der den
Sicherheitsabstand ignoriert hat, nicht aber die Planungsbehörde”, warnt Herbers.
“Autofahrer haben keinen Anspruch auf die Planung einer Straße, die ohne weiteres
jeglichen Begegnungsverkehr zulässt.” Das heißt: Es gibt keinen Rechtsanspruch
auf eine überbreite Straße.

Schließlich
gilt auch hier, wie in allen anderen Situationen, Paragraf 1, Absatz 2 der
Straßenverkehrsordnung (StVO)
: Er verlangt gegenseitige Rücksichtnahme, die
immer gilt. Die Planungsbehörde ist also von jeglicher Haftung befreit. “Der
Begegnungsverkehr muss eine Lösung finden. Zufriedenstellend ist das sicherlich
nicht”, fasst Herbers zusammen.

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