/“No More Bullshit”: Achtung, Bitchfight!

“No More Bullshit”: Achtung, Bitchfight!

Mit Frauen*
zusammenarbeiten? “Achtung, Bitchfight!” Frauen* unter sich? “Da ist
Zickenkrieg vorprogrammiert.” Viele Frauen im Büro? “Na dann, viel Spaß beim
Weibercatchen.” Klischees, die vermeintlich “weibliches” Verhalten abwerten,
halten sich hartnäckig. Tiermetaphern wie “Zicke” oder “Stutenbissigkeit”
naturalisieren bestimmtes zwischenmenschliches Verhalten obendrein. So als könnten Frauen*
gar nicht rational entscheiden, wie sie Konflikte austragen wollen. Viel
eher würden sie einander behindern, wenn sie nicht gerade am Lästern sind.

Gleich vorweg: Dass das Bullshit ist, belegen unter
anderem Frauen*netzwerke. Weiblicher Zusammenhalt ist nicht zuletzt deshalb wichtig, weil sich
Frauen*netzwerke als Strategie gegen Ausschlüsse durch männlich geprägte
Machtstrukturen verstehen lassen. Denn Bünde von Männern*, die bis in
die jüngste Vergangenheit auch ausschließlich Männern* zugänglich waren, gibt es
historisch betrachtet wesentlich länger als Frauen*netzwerke. Solche Vernetzungen und
Kooperationen – ob informell oder institutionalisiert – bieten Vorteile für
jene, die daran teilhaben: Zu ihnen gehört beispielsweise, Zugang zu wichtigen
Informationen zu erhalten, die nur einem kleinen, privilegierten Kreis
zugänglich sind oder (noch) nicht öffentlich. Funktionen von Männer*netzwerken
analysiert beispielsweise Psychologin Dagmar Schmelzer-Ziringer in ihrer
Dissertation: Das Gefühl der Zugehörigkeit zählt sie dazu und die
strategische Fähigkeit zum Abstecken von Interessen und zum Machterwerb. So
lässt sich auch nachvollziehbar begründen, warum es Frauen* als
kooperatives Kollektiv braucht: um neue, eigene Räume einzunehmen, in denen
neue Verantwortungen übernommen und gemeinschaftliche Interessen durchgesetzt
werden können. Das Ziel? Machtausgleich.

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Dieser Text ist ein Auszug aus dem Buch “No More Bullshit”, das im Verlag Kremayr & Scheriau erschienen ist.

Frauen haben gelernt, männliche Autorität zu akzeptieren

Warum haben
Frauen* eigentlich
relativ spät begonnen, sich zu vernetzen? Überlegungen dazu stellt etwa
Philosophin Simone de Beauvoir in ihrem berühmten Werk Das andere
Geschlecht
an: Indem Frauen* lange von öffentlichen Machtpositionen
ausgeschlossen waren und nur erreicht hätten, was ihnen Männer* zugestehen
wollten, hätten sie gelernt, männliche Autorität zu akzeptieren und
untereinander nie eine geschlossene Gesellschaft gebildet. Vielmehr waren sie
Bestandteil eines von Männern* beherrschten Kollektivs, in dem sie einen
untergeordneten Platz eingenommen haben. Die folgende Zeile lässt sich beinahe
als Bullshit-Antwort auf “Achtung, Bitchfight!” lesen, wenn Beauvoir schreibt:
“Wer der Frau, indem er sie in die Grenzen ihres Ichs oder ihres Heims verbannt
und alles, was an Eitelkeit, Argwohn, Bosheit etc. darauf folgt, zum Vorwurf macht,
beweist Inkonsequenz.” Apropos Inkonsequenz. Für Männer* gelten
ohnehin andere Maßstäbe: Kräftemessen in Meetings oder Dominanz-,
Konkurrenzverhalten und Wettbewerb gehören im Job als Mittel der
Machterlangung irgendwie dazu.

Natürlich gibt es
immer wieder Arbeitskolleginnen, die einem bei Gelegenheit das Messer in den
Rücken rammen würden, räumt Psychologin Lois P. Frankel in ihrem Bestseller Nice
Girls Don’t Get the Corner Office
ein. Das gelte aber in gleichem Maße für
männliche Kollegen, von denen dasselbe zu befürchten sei. Warum viele dennoch
den Fokus auf eine vermeintlich “weibliche” Unkollegialität legen, hat für
Frankel unter anderem folgende Gründe: Zum einen sei es sozial akzeptierter,
auf Schwächen von Frauen* hinzuweisen als auf jene von Männern*. Zum anderen hätten Frauen* beruflich
oft weniger Chancen und müssten sich diese härter erarbeiten – was angesichts
einer Knappheit an Möglichkeiten eher Konkurrenzdenken bedinge. Die Folge:
Frauen* könnten
sich fälschlicherweise gegenseitig eher als Herausforderinnen sehen. Das
gängige Klischee des sogenannten Queen-Bee-Syndroms ist zudem übrigens
empirisch kaum belegt, wie Psychologin Schmelzer-Ziringer festhält: Es
beschreibt das Verhalten, dass erfolgreiche Frauen* Kolleginnen unter ihnen kritischer
beurteilen würden als männliche Mitarbeiter in ihren Teams. Die Angst um den
Verlust eigener errungener Privilegien, des eigenen Solo-Status, soll dafür der
Grund sein. Laut Schmelzer-Ziringer gibt es aber mehr Belege für den
umgekehrten Fall: “Trotz der schwierigen Bedingungen, die Frauen* als
Netzwerkerinnen haben, bemühen sie sich, jüngere Frauen* zu fördern,
auch wenn sie selbst nur selten von Frauen* gefördert wurden.”

Geteiltes Wissen als wichtige Ressource

Anderen zu helfen
bedeutet natürlich nicht, den eigenen Erfolg automatisch zu gefährden, als
wäre er eine begrenzte Ressource. Netzwerkakteur*innen wissen das. Sie sind insofern
wechselseitig aufeinander angewiesen, analysiert Schmelzer-Ziringer, als sie
sich dessen bewusst sind, ihre Interessen und Ziele eher via Vernetzung und
Zusammenlegung von Ressourcen wie Wissen, Kompetenz, Geld oder Information
verfolgen und erreichen zu können, denn als Einzelne. “Einzelne, die Zeugnis
ablegen, verändern die Geschichte nicht; das können nur Bewegungen, die ihre
soziale Welt begreifen”, hielt auch die US-amerikanische Journalistin und
Kulturkritikerin Ellen Wills fest.

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