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Bundesliga-Vorschau: So beerdigt man Fußballvereine

Wer spielt wann gegen wen?

Düsteres Wetter, kalte Temperaturen, warme Herzen: So ähnlich funktioniert das hier bei uns in der Herzchenwertung. Seien Sie nicht schüchtern, wir gucken auch nicht hin, wenn Sie klicken.

Welches Spiel dürfen Sie auf keinen Fall verpassen?

Augsburg gegen Mainz. Es gibt, und das wird jeder Freizeitfußballer bestätigen, Drehbücher für Fußballmannschaften im Abstiegskampf. Der Überlebenskampf ist überall gleich aufreibend, es menschelt dann immer ein bisschen mehr. Schalten Sie deshalb ein, wenn der FC Augsburg spielt. Seit dem Aufstieg 2011 hielt sich der Club souverän und nüchtern in der Liga, einmal kam er sogar in die Europa League. Nun scheint der Verbleib in ernster Gefahr. Augsburg steckt mittendrin, Rang 15, nur ein Punkt vor der Abstiegszone. Das Spiel gegen Mainz wird richtungsweisend.

Und was machen die Augsburger? Die Woche in der Kurzfassung: Der Brasilianer Caiuby kam wochenlang nicht aus Brasilien zurück, dann sah man ihn in einer Diskothek. Suspendierung. Martin Hinteregger beendete nach der Niederlage gegen Gladbach sein Angestelltenverhältnis selbst mit dem Satz über seinen Trainer Manuel Baum: “Ich kann nichts Positives über ihn sagen und werde auch nichts Negatives sagen.” Er wechselte am Donnerstag nach Frankfurt. Baum selbst hatte in dieser Woche Ärger mit dem DFB, nachdem er sagte, der Schiri gegen Gladbach sei zu faul gewesen. Und als wären es noch nicht genug Hundetage im bayerischen Schwabenland, verpflichtete der FCA Jens Lehmann als Co-Trainer. Seine erste Handlung: klarstellen, dass er keine Ambitionen auf den Trainerposten habe. Bei TV-Serien nennt man das den Cliffhanger. 

Welches Spiel können Sie mit gutem Gewissen verpassen?

Sie sind der Meinung, der Fußball befinde sich auf dem richtigen Weg?
Also, Sie mögen es richtig schön kommerziell, Sie stehen auf Spielpausen,
die es nur wegen der Fernsehübertragung gibt, und genießen
Halbzeitshows, gegen die Helene Fischer wie der Rollatorclub des
Seniorenstifts Hildesheim aussieht: Dann schalten Sie ein. In der Nacht
von Sonntag auf Montag ist wieder Super Bowl, die Bayern der NFL, die
New England Patriots, spielen gegen die Los Angeles Rams. Wir bloggen
live.

Wer steht im Blickpunkt?

Tennis Borussia Berlin. Der kleine Traditionsclub aus Berlin-Charlottenburg war mal ein großes Ding in Berlin und schlug im Pokal sogar die Hertha, Mitte der Neunziger war das. Ein Investor aus Göttingen übernahm sich aber. Aus dem Plan, TeBe zur Aktiengesellschaft werden zu lassen, wurde nichts. Im Jahr 2000 ging der Verein insolvent und musste in die vierte Liga absteigen. Nach einem weiteren gescheiterten Investor landete TeBe in der Berlin-Liga. 

Mittlerweile spielen sie in der fünften Liga. Dort aber immerhin um den Aufstieg. Das haben sie vor allem einem zu verdanken: genau, einem neuen Investor. Jens Redlich, mittlerweile Vorstandsvorsitzender von TeBe, besitzt eine Fitnesskette und steckte seit 2016 2,5 Millionen Euro in den Club. Er will aufsteigen, und dafür scheint ihm jedes Mittel recht. Alteingesessene Fans zu respektieren, gehört allerdings eher nicht dazu. Die aber sind sehr sensibel, wenn es um ihren Club geht, seit sie vor zehn Jahren TeBe vor einem weiteren Investor retteten. Gut sah man das auf der außerordentlichen Mitgliederversammlung am Mittwoch, einberufen unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Teile der – eher linken – Fanszene hatten die Versammlung mit einer Unterschriftenaktion erzwungen und wollten einen neuen Aufsichtsrat wählen lassen, mit Kandidaten, die Redlich kritisch gegenüberstehen. Im Kern ging es aber um die Frage: Wem gehört TeBe?

Und es gibt auch eine Antwort. Stimmt es, was von einigen Fans behauptet wird, hat Redlich am Tag vorher Claqueure zu Mitgliedern gemacht und dann zur Wahl mitgebracht, um die Mehrheitsverhältnisse zu ändern. Das seien bulgarische Bauarbeiter in Arbeitskleidung und ohne Deutschkenntnisse und Fitnessstudiokunden gewesen, sagten die Kritiker. Redlich sagte dazu: “Akquise.” Genau die fünf Kandidaten, die zu Redlich stehen, wurden gewählt. Es war auch Polizei vor Ort, Spieler der ersten und zweiten Mannschaft sollen Fans bepöbelt haben. Ein unappetitlicher Abend. “Der Verein braucht euch nicht”, schrieb Redlich selbst im Fanforum. “Der Verein wurde heute beerdigt”, sagte einer, der lange dabei ist. Und Kevin Kühnert, der Juso-Chef, der über sich sagt, dass TeBe und der Fußball ihn politisiert haben, und der 2017 aus dem Verein ausgetreten war, nachdem Redlich eine Regenbogenfahne abhängen ließ, schrieb: “Mit Tennis Borussia wird heute ein Traditionsclub nach allen Regeln der Kunst gekapert.”

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