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Handball-WM: Und Bam Bam weinte

Vieles lässt sich anhand der 25. Minute des WM-Halbfinales der deutschen Handballer gegen die Norweger erzählen. Die Deutschen hatten mal wieder vorne nicht getroffen, die Norweger konterten schnell, der deutsche Kapitän Uwe Gensheimer stieß den norwegischen Star Sander Sagosen von hinten um. Zwei Minuten Strafe für Gensheimer. Nur 15 Sekunden später musste auch sein Kollege Hendrik Pekeler für zwei Minuten vom Feld weil er den Kreisläufer Bjarte Myrhol umgerissen hatte. Es war seine zweite Zeitstrafe, viel zu früh für einen wichtigen Abwehrmann wie ihn.

Es stand da zwar erst 12:10 für Norwegen aber diese 25. Minute hatte alles, was das Spiel entschied: kluge norwegische Pässe, vergebene Chancen der Deutschen, schmerzhafte Zeitstrafen und Frust. Deutschland geriet in dieser Minute in doppelte Unterzahl, Norwegen
traf und führte zum ersten Mal mit drei Toren und die gefoulten Sagosen und Myrhol fingen an,
das deutsche Team zu filetieren.

Sagosen, das 23-jährige Supertalent im Welthandball, lief von halbrechts aus immer wieder den deutschen Mittelblock an, zog zwei Verteidiger auf sich und legte dann klug auf den freien Mann ab. Und Myrhol, der 36-jährige Kapitän und Kreisläufer, der im Laufe seiner Karriere auch schon Hodenkrebs überstand, stahl sich im Schatten der deutschen Verteidiger immer wieder davon wie ein Dieb und warf die Tore. Zusammen erzielten die beiden zwölf Treffer.

Das norwegische Duo legte offen, woran es dem deutschen Team mangelte: einem Anführer im Rückraum, der das Spiel an sich reißen und leiten kann. Und an einem Plan im Angriff, auf den man sich verlassen kann. Die Norweger hatten beides. Egal, ob gegen die deutsche 6-0-Abwehr oder die 3-2-1-Variante, Sagosen fand immer Myrhol. Als Bonus hatten sie dann noch Magnus Rød, einen weiteren Rückraumspieler, der Mal um Mal nach oben stieg und seine Würfe unter die Latte knallte. Er traf siebenmal.

Der deutsche Rückraum war hingegen verwaist. Kein Tor aus dem rechten Rückraum, nur zwei aus dem linken: Steffen Fäth, Kai Häfner und Paul Drux kamen nie in diesem Halbfinale an. Mit Fabian Böhm und Fabian Wiede lief es später besser, doch auch sie verwarfen einige Bälle. Und der Abwehr sah man an, dass es das neunte Spiel in 15 Tagen war. Die Deutschen waren häufig einen Schritt zu spät und kassierten deshalb Tore oder Zeitstrafen, siehe Pekeler, der in der zweiten Halbzeit mit einer roten Karte ganz vom Platz musste. Deutschland schied am Ende zu Recht mit 25:31 aus aus und spielt nun gegen Frankreich um die Bronzemedaille.

Norwegen kam als beste Offensive des Turniers nach Hamburg gereist. Nur gegen die Dänen, die Frankreich im ersten Halbfinale deklassierten, hatten sie verloren. Deutschland war noch ohne Niederlage und stellte die beste Abwehr. Das hatte sich rum gesprochen: “Wir wollten nicht in 1:1-Situationen kommen” sagte Norwegens Trainer Christian Berge nachher, “das wäre extrem schwer geworden.” Die Kombination Sagosen auf Myrhol habe er deshalb bewusst gewählt. Die Norweger waren
abgezockter, cleverer. Sie kamen fast ohne Strafen zurecht, trafen 70 Prozent
ihrer Würfe, die Deutschen nur 61 Prozent.

Hinzu kamen die Zeitstrafen. Deutschland kam insgesamt auf sieben, Norwegen nur auf drei. In den folgenden Unterzahlsituationen “sahen wir nie gut aus”, sagte der deutsche Trainer Christian Prokop.

Daran änderte auch der Torhüterwechsel nichts: Andi Wolff, der in der 17. Minute noch einen Konter der Norweger gehalten hatte, wurde nach 19 Minuten von Prokop auf die Bank gesetzt. Er konnte es nicht fassen, rannte nach draußen, stellte sich neben den Trainer und schrie ihn von der Seite an. Prokop brauchte beide Hände, um ihn zu beruhigen, auch Teammanager Oliver Roggisch legte seinen Arm um die Schulter des aufgebrachten Wolff.

Er und sein Stellvertreter Silvio Heinevetter hielten nur sechs von 37 Bällen an diesem Abend. Kein guter Wert.

Heinevetter kam zwar und hielt Deutschland zunächst im Spiel: 9:9. Es war aber dann genau einer dieser Momente im Handball, in denen ein wichtiger Spieler vorangeht und sein Team in einer Halle voller Fans des Gegners anführt. Es war eben kein Deutscher, sondern der Norweger Sagosen. Der hatte sich nach der Vorrundenniederlage gegen Dänemark noch anhören müssen, dass er das eben nicht sei, ein Anführer. Jetzt, in diesem wichtigen Augenblick, traf er sein erstes Tor. Danach war es so: Wenn Sagosen wollte, konnten die Deutschen nur zugucken. Er machte mit ihnen, was er wollte.

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