/Stickoxide und Feinstaub: Was die Wissenschaft über Abgase weiß – und was nicht

Stickoxide und Feinstaub: Was die Wissenschaft über Abgase weiß – und was nicht

Ein Problem aller Daten: Weil die Luftqualität nicht überall durchgehend überwacht wird, lässt sich die Luftverschmutzung nur schwer quantifizieren. Außerdem ist bis heute nur unzureichend erforscht, wie Feinstaub genau Gesundheitsschäden verursacht. Auch welche Konzentration und Zusammensetzung besonders riskant ist, ist kaum bekannt (Nature: Jerrett, 2015).

Das liegt auch an Aufbau und Methodik der Forschungsarbeiten. So gibt es zum einen experimentelle Studien, etwa Zellexperimente und Tierversuche, “um die biologische Wirkungsweise und die Plausibilität des Zusammenhangs von Luftverschmutzung und einzelnen Krankheiten zu belegen”, wie die Umweltmedizinerin Barbara Hoffmann im Dezember im Interview mit ZEIT ONLINE erklärt hat.

Ein Problem hierbei: Ergebnisse aus Tierstudien sind nicht eins zu eins auf den Menschen übertragbar. Ein anderes: Es gibt Forscherinnen und Forscher, die überzeugt sind, dass die bisherigen Tier- und zellbiologischen Untersuchungen “nur marginale, unspezifische Effekte durch Feinstaub und NOx” haben – “wenn überhaupt”. So schrieb es etwa der Mediziner Dieter Köhler in einem Meinungsbeitrag im Ärzteblatt. Der frühere Präsident der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) hatte die Stellungnahme der Lungenärzte initiiert und in der ARD-Talkshow Hart aber fair die Fahrverbote als “völligen Unsinn” bezeichnet.

Gleichzeitig gibt es epidemiologische Untersuchungen. Dabei handelt es sich um Beobachtungsstudien am Menschen unter realen Umweltbedingungen. Sie unterscheiden sich damit grundlegend von experimentellen Studien, in denen Forscherinnen und Forscher Versuchstiere oder Probanden zufällig und kontrolliert Schadstoffen aussetzen.

Eine verzerrte Risikoabschätzung ist auch hier zu beachten. So ist es etwa wichtig, passende Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu finden und Störgrößen zu berücksichtigen. Um sicherzustellen, dass die Ergebnisse aussagekräftig sind, gibt es Leitlinien und Empfehlungen zur Sicherung der Guten Epidemiologischen Praxis.

Zu beachten ist nicht nur, ob die Versuche mit Menschen oder Tieren durchgeführt wurden und ob es sich um ein Experiment oder eine Beobachtung handelt, sondern auch, über welchen Zeitraum eine Studie stattgefunden hat. Denn kurzfristige Effekte müssen nicht über längere Zeit bestehen bleiben, gar lebenslange Folgen haben. Ebenso ist es möglich, dass Forscherinnen und Forscher binnen weniger Wochen oder Tage keine Veränderungen infolge eines Schadstoffs beobachten, diese aber nach Monaten oder Jahren sehr wohl auftreten können.

Ein Beispiel für eine epidemiologische Langzeituntersuchung in Deutschland ist die Heinz-Nixdorf-Recall-Studie. Sie wird seit dem Jahr 2000 im Ruhrgebiet durchgeführt und zeigt einen Zusammenhang zwischen chronischer Luftschadstoffbelastung und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. “Bei der Analyse werden Risikofaktoren und Lebensweisen berücksichtigt, sodass der Effekt nicht mehr durch zum Beispiel unterschiedliches Rauchverhalten oder mangelnde sportliche Aktivität erklärt werden kann”, schrieb Hoffmann im Mai 2018 im Ärzteblatt.

Trotz aller Unsicherheiten: Die Hinweise darauf, dass Feinstaub in seinen verschiedenen Formen und besonders als kleine Partikel sowie Stickoxide die Gesundheit beeinträchtigen, galten bislang als so stark, dass es seit einigen Jahren europaweit Auflagen gibt. Wie sinnvoll die sind, wird nun wieder debattiert.

Anlässlich des Dieselfahrverbots in Stuttgart sind Teile dieses Artikels bereits in dem Stück “Was Sie über Feinstaub wissen sollten” erschienen.

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