/Fake-News: So manipulierbar sind wir gar nicht

Fake-News: So manipulierbar sind wir gar nicht

Beeinflussen
falsche Nachrichten in sozialen Netzwerken, wen Menschen wählen? Nach der US-Präsidentschaftswahl
2016 schien es so. Als für viele überraschend der republikanische
Kandidat Donald Trump gewann, gaben diverse Medien Facebook und Twitter die
Schuld daran, weil über die Plattformen erfundene News weiterverbreitet und Wählerinnen
dadurch beeinflusst worden seien. Vor der Bundestagswahl 2018 gab es die Sorge, dass das auch in Deutschland passieren könne. Es gab zwar auch Gegenstimmen, aber der Eindruck verfestigte sich: Falsche Nachrichten bestimmen die öffentliche Meinung. 

Ganz so
einfach ist es nicht, das ist mittlerweile klar. Seit 2016 haben sich etliche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit dem Einfluss von sogenannten Fake-News auf Wählerinnen und Wähler beschäftigt (Journal of
Economic Perspectives:
Allcott et al., 2017
und Guess et al,
2018
). Die Untersuchungen zeigen allesamt: Unwahre
Nachrichten verbreiten sich, werden aber oft nur von einer kleinen Gruppe wahrgenommen und
haben nur einen geringen Effekt. Zwar seien soziale Medien eine
wichtige Informationsquelle
während des US-Wahlkampfes gewesen, aber nicht
die dominante, schreiben etwa die Forscher Hunt Allcott von der New York University und Matthew Gentzkow aus Stanford.

Wie viele Falschnachrichten wurden den amerikanischen Bürgerinnen und Bürgern nun wirklich während der entscheidenden Phase vor der Wahl 2016 angezeigt? Dieser Frage ist eine aktuelle
Studie nachgegangen, die am Freitag erscheint (Science: Grinberg et al., 2019). Fünf
Forscherinnen und Forscher haben dafür 16.000 Twitter-Konten ausgewählt, die zwischen August und Dezember 2016 aktiv waren. Sie haben die Nutzernamen und, falls angegeben, tatsächlichen Namen der Besitzer mit dem
Wahlregister abgeglichen, um ihre Authentizität zu gewährleisten. Die Wissenschaftler wollten wissen, wie viele erfundene Geschichten Bürgerinnen
und Bürger in ihrem Newsfeed eingeblendet bekamen, wie sie überhaupt
Nachrichten konsumierten und welchen gesellschaftlichen Gruppen sie angehörten.

Die klassischen Medien dominieren

Die
Wissenschaftler konzentrierten sich
ausschließlich auf politische Tweets, die auf
Nachrichtenseiten verlinkten, und untersuchten, ob diese Seiten
Falschmeldungen verbreiteten. Sie bewerteten dabei nicht, ob eine einzelne Meldung richtig oder falsch
war, sondern
teilten Nachrichtenseiten, die Fake-News verbreiten, in drei Kategorien
ein: in Websites, die fast ausschließlich ausgedachte Geschichten
fabrizieren; in Portale
wie das Verschwörungsportal Infowars, die falsche Informationen teilen,
die nach
Ansicht der Autoren einen fehlerhaften Redaktionsprozess
widerspiegelten; und Plattformen, auf denen sich zwar erfundene
Nachrichten finden lassen, es aber
unklarer sei, ob diese wirklich systematisch verbreitet würden.

Aus den Konten, denen die Wähler folgten,
erstellten die Forscherinnen einen zufällig zusammengesetzten Newsfeed und maßen anhand
dessen, wie viele Falschnachrichten den Personen im Schnitt angezeigt wurden.

Nur 1,12
bis 1,24 Prozent der Tweets zu politischen Themen waren der Untersuchung zufolge
überhaupt Falschnachrichten. Während des letzten Kampagnenmonats hätte eine Wählerin in
ihrem Twitter-Feed demnach zwischen 185 und 224 potenzielle erfundene Geschichten
sehen können. Wahrscheinlich seien es eher zehn gewesen, da im Schnitt nur fünf Prozent der Tweets überhaupt wahrgenommen würden (AAAI Conference: Wang, 2016).

Tatsächlich machten die klassischen Medien immer noch den Großteil des
Twitter-Feeds aus – unabhängig vom politischen Spektrum: Bei extrem rechts
eingestellten Personen führten 72 Prozent der Links auf eine traditionelle Nachrichtenseite, bei extrem links eingestellten waren es 86
Prozent der in der Timeline geteilten URLs. Das sei ermutigend, weil andere Berichte etwa suggeriert hätten, Fake-News hätten mehr Likes und Shares gehabt
als echte Nachrichten während der Wahlen
, schreiben die Autorinnen.

Dass immer noch so viele Artikel aus traditionellen Medien geteilt würden, überrascht die Kommunikationswissenschaftlerin Katharina Kleinen-von Königslöw nicht. “Klassische Medien haben immer noch eine sehr große Autorität”, sagt die Professorin für Journalistik und Kommunikation an der Universität Hamburg. Selbst in Kreisen, die Medien als “Lügenpresse” oder “Systempresse” bezeichneten, verbreiteten die Menschen weiter Texte aus etablierten Zeitungen oder Magazinen – zumindest wenn die Artikel ihrem Weltbild entsprächen.

Hits: 61