/Sicherheitspersonal: “Die Gefahr sitzt immer im Nacken”

Sicherheitspersonal: “Die Gefahr sitzt immer im Nacken”

Vergangene Woche legte der Warnstreik des Sicherheitspersonals einige deutsche Flughäfen lahm, darunter Hamburg und München. Die Gewerkschaft ver.di fordert einen Stundenlohn von 20 Euro für die 23.000
Luftsicherheitsassistenten bundesweit. Dem Arbeitgeberverband BDLS ist das zu
hoch, er hat eine Erhöhung
zwischen 2 und 6,4 Prozent pro Jahr geboten. Doch sind 20 Euro nicht
utopisch, zumal in anderen Ausbildungsberufen oft weniger gezahlt wird? Ein Security-Mitarbeiter
erzählt, warum er weiter kämpfen will – und wie sein Alltag am Airport
aussieht.

Klar,
ich kenne die Sprüche. “20 Euro, was fällt dir ein? Wir machen hier schwere
körperliche Arbeit. Und du? Stehst nur rum!” Das sagte ein Kollege aus der
Gepäckabfertigung nach unserem Streik zu mir. Dabei weiß ich, dass ich noch gut
dran bin. Ich verdiene 17 Euro brutto die Stunde und habe einen unbefristeten
Vollzeitvertrag. Die meisten meiner Kollegen kommen nur auf 120 Stunden im
Monat, über die Hälfte von ihnen ist befristet angestellt.

Ich
arbeite seit 20 Jahren bei einer privaten Sicherheitsfirma, die im Auftrag der
Bundespolizei die Sicherheitskontrollen am Hamburger Flughafen durchführt.
Eigentlich bin ich gelernter Verwaltungsfachangestellter. In den Neunzigern
wurde ich arbeitslos und habe hier angefangen, nach einer zweiwöchigen
Schulung. Inzwischen habe ich so viele Fortbildungen gemacht, dass ich auf eine
knapp dreijährige Ausbildungszeit komme. Heute dauert die Schulung sechs
Wochen, viele Kollegen bilden sich weiter. Ich finde daher nicht, dass wir nur
gering qualifiziert sind. Und nur weil es keine vollwertige Ausbildung gibt,
ist unsere Tätigkeit nicht weniger wichtig oder anspruchsvoll.

Die
meisten Leute wissen nicht, welchem Druck wir bei der Arbeit ausgesetzt sind.
An uns wollen alle nun mal nur schnell vorbei: den Kleinkram auspacken, den
Rucksack aufs Band legen, durch den Scanner laufen – ab geht’s in den Urlaub.
Dass der Stress für uns immer größer wird, interessiert keinen. Dass den Job
früher gut bezahlte Bundespolizisten gemacht haben, aber am Flughafen viele
Aufgaben outgesourct wurden, auch nicht. Wir arbeiten im Schichtdienst, von
3.30 Uhr in der Nacht bis mittags, die zweite Schicht endet um 22.30 Uhr. Der
Job erfordert die volle Konzentration, da kannst du nicht mal mit den Gedanken
woanders sein. Wenn ich vor dem Monitor sitze, muss ich in Sekundenschnelle
alles registrieren. Die Sicherheitsauflagen sind gestiegen. Es gibt immer mehr
Passagiere, die immer mehr Handgepäck mitnehmen, auch wegen der vielen
Billig-Airlines, die zwar 10-Euro-Tickets für den Flug ins Ausland anbieten,
aber nicht gut darüber informieren, was eingepackt werden darf. Oder es
interessiert die Leute nicht. Meistens sind wir damit beschäftigt, Plastikbeutel
zu verteilen, die Regel mit der erlaubten Flüssigkeitsmenge wieder und wieder
zu erklären. Damit wir konzentriert bleiben, rotieren wir Mitarbeiter alle 20
Minuten durch. Ich bin also auch mal Einweiser am Gepäckband oder derjenige,
der verdächtige Gegenstände aus den Taschen holt. Wir finden oft Messer – und
Drogen, die meist in der Unterhose oder unter der Schuhsohle versteckt werden,
sowieso.

Die
Gefahr sitzt uns immer im Nacken. Wenn wir eine Waffe finden oder Passagiere
handgreiflich werden, drücken wir einen Alarmknopf, nach wenigen Minuten ist
die Bundespolizei da. Das Sprengstoffkommando braucht 20 Minuten. Die können
sehr lang werden. Zum Glück habe ich bislang immer nur den falschen Alarm
erlebt, verdächtige Gegenstände, die dann doch keine Bomben waren. Man gewöhnt
sich ans Risiko, trotzdem muss ich noch oft an den Terroranschlag in Brüssel
denken, wo 2016 zwei Sprengsätze vorm Check-in-Schalter explodierten. Besonders
den noch nicht so erfahrenen Kollegen setzen solche Meldungen sehr zu.

Wir
selbst stehen unter ständiger Beobachtung, werden vor der Einstellung einem
Sicherheitscheck unterzogen und auch später immer wieder überprüft. Alle drei
Jahre legen wir eine Prüfung ab, in der wir in den Luftsicherheitsgesetzen
abgefragt werden und Personenkontrollen unter Aufsicht durchführen. Wer dreimal
durchfällt, verliert den Job. Dass viele Kollegen nicht in Vollzeit arbeiten
können und so weniger verdienen, liegt daran, dass der Bedarf schwankt. Die
Bundespolizei legt die Stundenzahl fest und orientiert sich am
Fahrgastaufkommen, das die Airlines melden. Im Sommer ist Hochbetrieb, jetzt im
Winter gibt es weniger zu tun. Ich arbeite mehr, weil ich in vielen Bereichen
eingesetzt werden kann. Es kam schon oft vor, dass falsch kalkuliert wurde und
wir auf einmal völlig unterbesetzt waren. Dann ist der Frust der Passagiere
groß – der sich auf uns Mitarbeiter entlädt.

Trotz
allem mag ich meinen Job. Weil ich eine wichtige Aufgabe erfülle und viel über
Menschen lerne. Wenn es gut läuft, kontrollieren wir in einer Stunde 200
Personen an zwei Kontrollspuren. Die Geschäftsleute sind die einfachsten, die
sind routiniert, denen muss man nichts erklären. Anstrengender sind die
Einmal-im-Jahr-Urlauber, die vor Aufregung sofort drauflosplappern. Natürlich
gibt es auch arrogante Leute, First-Class-Passagiere, die sofort genervt und
aggressiv reagieren, wenn es mal länger dauert. Aber das macht mir nichts, ich
bin einer, der gerne schnackt und auf Menschen eingehen kann. Ohne Feingefühl
hat man in diesem Job ohnehin nichts verloren. Immerhin tragen wir die
Verantwortung für die Sicherheit an Bord.

Ich
selbst bin 2001 zum letzten Mal mit einem Flugzeug geflogen. Ich habe drei
Kinder, habe bis zur letzten Tariferhöhung noch weniger verdient. Urlaube waren
selten drin. Es mag sein, dass wir im Vergleich zu anderen viel fordern. Die
Gepäckentlader, die sich so über unseren Streik geärgert haben, bekommen 12
Euro die Stunde. Ich kann den Frust verstehen, aber deswegen höre ich nicht
auf, für bessere Arbeitsbedingungen zu kämpfen. Ich sage dann: “Wenn ihr auch
mehr Lohn wollt, dann macht doch was, tut euch zusammen und kämpft.”

Dies ist ein Artikel aus dem Ressort ZEIT:Hamburg. Hier finden Sie weitere News aus und über Hamburg.

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