/Flexibilität: Ist dieser Mann nur ein Moscow Mule für mich?

Flexibilität: Ist dieser Mann nur ein Moscow Mule für mich?

Zwar sind mehr als 60 Prozent aller Alleinstehenden zufrieden mit
ihrem Leben, jedoch nur zehn Prozent davon sind überzeugte Singles. Was
auf der Suche nach dem richtigen Partner alles passieren kann, davon
erzählen unsere beiden Singlekolumnistinnen in der Serie “Es ist kompliziert“.

Wodka Tonic oder Moscow Mule? Kneipe oder Club, Kino oder Theater? Auf jede dieser Fragen könnte ich antworten: Klingt alles gut! Ich bin da flexibel. Nicht, weil es mir egal wäre. Es gibt Abende, da würde ich lieber in der Kneipe sitzen und reden, anstatt mich mit einem Mann in einem Club über die Musik hinweg einsilbig anzuschreien. An anderen Abenden ist nicht zu reden wiederum genau das, was passt.

Flexibel sein ist schön, aber wie flexibel kann und will ich eigentlich beim Sex sein?

Tinder, OkCupid und andere Datingapps meide ich nach wie vor. Noch zieht mich nichts dorthin, ich fühle mich gut aufgehoben in der realen Welt, die allerdings ohne vorab ausgefüllte Fragebögen und genaue Informationen über meine Vorlieben auskommen muss. Ich weiß also nicht, was mich beim Kennenlernen erwartet, weder in der ersten Unterhaltung noch beim ersten Sex. Das kann von aufregend bis aufsehenerregend schlecht alles sein.

Hasim lernte ich auf einer Party kennen. Ich war ein bisschen genervt von den Leuten, von der Musik, von mir selbst und wollte gerade gehen, als er mich ansprach und zum Bleiben überredete. In meiner schlechten Stimmung nahm ich das gar nicht als Flirtversuch wahr. Erst als er sein Rad quer durch die halbe Stadt geschoben hatte, um mich nach Hause zu bringen, dachte ich daran, ihn noch auf ein Bier zu mir einzuladen. Sex kann ja die Laune auch heben.

Und Hasim enttäuschte mich nicht. Er war offensiv, wusste, was er wollte, und erkannte, was ich wollte. Allerdings kommunizierte er seine Wünsche gestenreich wie ein Verkehrspolizist, seine Arme schwenkten hierhin und dorthin, Sprechen fand er offensichtlich überbewertet. War mir nicht unrecht, Geschwätzigkeit kann auch schnell die Stimmung zerstören.

Wir trafen uns dann ab und zu, das Dirigieren wurde weniger, wir verstanden uns nun auch ohne Worte besser. Doch schnell stellte sich heraus, dass für Hasim der Weg zum Finale immer der gleiche sein musste. Nichts, womit ich mich nicht anfreunden konnte, aber wenn Geschlechtsverkehr schon beim vierten Mal so verlässlich wie der Ablauf der Tagesschau wirkt, ist das auch nur bedingt aufregend.

Trotzdem sagte ich nichts. Warum eigentlich nicht? Ich mag mich zwischen Wodka Tonic und Moscow Mule vielleicht nur schwer entscheiden, aber das heißt nicht, dass ich Männern ihre Meinung nachplappere, auch beim ersten Date nicht. Ich diskutiere gern und mag es, mich über Horst Seehofer oder Kanye West zu streiten. Trotzdem ließ ich beim Sex immer Hasim machen. Es war nicht so, dass ich Angst hatte, ihn sonst zu verlieren. Es gab nicht so viel zu verlieren, wir suchten beide keine Beziehungen miteinander.

Sagte ich nichts, weil der Sex auch für mich nicht schlecht war? Weil es mir nicht wichtig genug war? Oder gar, weil ich unbewusst im Bett einem verquer traditionellen Rollenbild folgte? Klar wollte ich Hasim auch gefallen, unterordnen wollte ich mich ihm aber sicher nicht und tat es auch nicht. Ich ließ mich zu nichts überreden, was ich nicht wollte, und er entwickelte weder einen Fetisch noch sonst irgendetwas, was ich nicht mittragen wollte. Seiner Choreografie bis zum Höhepunkt folgte ich mit einem Achselzucken: Ach, was soll’s.

Dann nahm mich eine Freundin mit zu einem Rotweinabend bei einem Kollegen. Irgendwann, viele Flaschen später, verabschiedete sie sich, ich blieb. Richard war ganz anders als Hasim, Typ sensibler Mann mit viel Einfühlungsvermögen. Nicht unbedingt das, was mich sofort anzieht. Andererseits wollte ich einfach nicht mehr eine halbe Stunde betrunken und allein nachts mit dem Rad nach Hause fahren. Und dann hielt mich doch mehr. Richard gab mir das Gefühl, die tollste Frau im Raum, in der Stadt und überhaupt zu sein. Ich verwarf den Gedanken, nur auf der Couch zu übernachten, und schlief bei ihm im Bett.

Richard stürzte sich nicht auf mich, kreiste dann aber beim Sex nur um mich und nicht um sich, was eine nette Abwechslung zu Hasim war. Der Sex war nicht besonders aufregend, aber auch nicht zum Weglaufen. Danach lag er den Tränen nah neben mir. Ich fand das ganz süß. Als ich nachts ins Bad ging, bemerkte ich die künstlichen roten Rosen auf der Fensterbank. Es hätte mich skeptisch werden lassen müssen. Doch ich dachte: Nicht von Scheußlichkeiten ablenken lassen, so einen Strauß Rosen kann man im Zweifel auch unauffällig entsorgen.

Richard organisierte Picknicks im Park und Tänze im Mondschein für mich. Ich wollte mich wirklich gern in ihn verlieben. Doch auch Richard hatte sein spezielles Verhaltensmuster. Zwar nicht wie Hasim beim Sex, sondern direkt danach: Er weinte dann immer. Das überstieg dann doch meine Flexibilität. Ich warf noch einen letzten Blick auf die Rosen und stieg aus Richards Leben aus. 

Mit Hasim endete es, wie es begann, en passant. Wir meldeten uns beide immer weniger, der Tagesschau-Sex erledigte sich von selbst. Ich musste nichts sagen, aber ich hatte etwas gelernt: dass Flexibilität auch ihr Gutes hat. Ich weiß mittlerweile nicht nur, dass ich Moscow Mule doch überbewertet finde. Ich weiß auch, zu welchem Sex ich künftig Nein sage.

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