/Krimi des Jahres: Hamburgerin schreibt Krimi des Jahres

Krimi des Jahres: Hamburgerin schreibt Krimi des Jahres

Oliver Hollenstein

Oliver Hollenstein
© Maria Feck

Liebe Leserin, lieber Leser,

von außen wirken sie so wunderbar harmlos: akkurat gestutzte
Hecken, Blumen und Bäume in Reih und Glied, der Zaun immer frisch gestrichen –
so zumindest sieht das Klischee die Schrebergärten. In der Realität sind
Kleingärtner eine politische Macht. Schon Helmut
Schmidt stichelte gegen Olaf Scholz
, beim Wachstum der Stadt plane der
(damalige) Bürgermeister offenbar großzügig um die reichlich vorhandenen
Schrebergärten herum, weil dort die Kernklientel der SPD engagiert sei. Nun hat
es jedoch die grün geführte Umweltbehörde gewagt, sich mit dieser geheimen
Macht im Stadtstaate anzulegen. Die Behörde hat Fragebögen an die Kleingärtner
geschickt, weil sie wissen will, ob in den Lauben unerlaubterweise Klos mit
Wasseranschluss, Duschen oder gar Whirlpools versteckt sind. Schlimmer noch:
Die Vereinsvorstände sollen zu Blockwarten werden und diese Angaben überprüfen.
Acht Kleingartenvereine und die Interessengemeinschaft Schreberrebellen haben
sich daraufhin bei der Bürgerschaft beschwert: Sie fühlen sich ausgeforscht!
Müssen jetzt sämtliche Prognosen für die Bürgerschaftswahl revidiert werden?

Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag!

Ihr Oliver Hollenstein

Wollen Sie uns Ihre Meinung sagen, wissen Sie etwas, über das wir
berichten sollten? Dann schreiben Sie uns: hamburg@zeit.de.

Aktuelles

Baustellenchaos jetzt auch bei der U3


© Christian Charisius/dpa

Harte Monate stehen
Touristen und Pendlern ausgerechnet auf der U3 bevor. Vom 20. Mai an bis
voraussichtlich 8. September wird die Station Landungsbrücken gesperrt, die
Fahrgäste müssen auf die Buslinien 111 und 112 ausweichen. Danach ist die
Station zwar wieder durchfahrbar, ein- und aussteigen wird man dort jedoch erst
wieder ab dem 13. Oktober können. Grund für die Sperre sind Sanierungsarbeiten.
Die Station Landungsbrücken wird barrierefrei gestaltet, im östlichen
Eingangsgebäude sollen zwei Aufzüge eingebaut werden. Außerdem sollen
Rollstuhlfahrer dann in die U-Bahn-Wagen rollen können, ohne in der Lücke
zwischen Bahnsteig und Zug stecken zu bleiben. Immerhin: Beim Hafengeburtstag
(10. bis 12. Mai) ist die Station noch offen.

Landgericht mildert G20-Urteil

Es war
das erste harte Urteil nach dem G20-Gipfel: Zu zwei Jahren und sieben Monaten
Haft ohne Bewährung hatte das Amtsgericht wenige Wochen nach den Krawallen
einen Niederländer verurteilt, der im Schanzenviertel zwei Flaschen auf einen
Polizeibeamten geworfen hatte. Nach 38 Verhandlungstagen hat das Landgericht
den 23-Jährigen nun in zweiter Instanz erneut schuldig gesprochen. Die Richter
korrigierten das Urteil aber deutlich nach unten: auf ein Jahr und neun Monaten
zur Bewährung. Die Kammer berücksichtigte, dass der Angeklagte etwa ein Jahr in
Untersuchungshaft gesessen hat. Zudem sei die Verletzung des von einer Flasche
am Helm getroffenen Beamten nicht schwer gewesen.

In einem Satz

Die Chipsletten von Lorenz sind für die
Verbraucherzentrale Hamburg die “Mogelpackung des Jahres 2018”, da der Inhalt
von 170 auf 100 Gramm geschrumpft war – bei gleichem Preis +++ Die zum Maersk-Konzern gehörende Reederei Hamburg Süd
hat ihre Massengutschiffe verkauft und konzentriert sich künftig auf die
Containerschifffahrt +++ Der Senat will mit einem eigenen Gesetz verhindern,
dass Briten ohne Doppelpass nach dem Brexit die Stadt verlassen müssen +++ Der
Leiter des Theaters im Engelsaal, Karl-Heinz Wellerdiek, ist im Alter von 59
Jahren nach kurzer, schwerer Krankheit gestorben

Was heute auf der Agenda steht

Bei einer öffentlichen Anhörung im Cityausschuss
der Bezirksversammlung Hamburg-Mitte soll eine Lösung für den bei
St.-Pauli-Anwohnern herzlich unbeliebten Schlagermove gefunden werden +++
Bürgermeister Peter Tschentscher stellt die Pläne für ein neues
Wissenschaftszentrum rund um das Forschungsinstitut Desy an der Trabrennbahn in
Bahrenfeld vor

Was Sie interessieren könnte

Alltagsreporter: Die Bäckereifachverkäuferin am
Hauptbahnhof

“Es ist schon spät, die Schicht ist gleich zu
Ende – denke ich. Da kommt eine Frau, die aussieht, als würde sie ihr Geld auf
der Straße verdienen, und möchte noch ein süßes Teilchen kaufen. Ich fange an
zu verpacken, was sie bestellt hat. Plötzlich ändert sie ihre Meinung und will
ein anderes. Ich packe um, sie ändert wieder ihre Meinung. So geht das noch
zweimal hin und her, bis ich sage: ›Weißt du was? Jetzt gibt es hier gar nichts
mehr für dich.‹ Sie ›bedankt‹ sich, indem sie das Trinkgeldglas nimmt, in den
Mülleimer nebenan schmeißt und fluchend weggeht. Zum Glück sieht das ein netter
Kunde, der es aus dem Müllkorb fischt und mir zurückgibt.”

An dieser Stelle finden Sie
täglich unsere Alltagsreporter. Hier schreiben Hamburger, die wir gebeten
haben, uns regelmäßig zu berichten, was sie in ihren Jobs erleben. Sie bleiben
anonym, damit ihnen beruflich keine Konsequenzen drohen.

Rezension: Jetzt singt er auch noch


© Stefan Wagner

Mehr als sieben Jahre hat es gedauert, den Plot
zu entwerfen und immer wieder zu schärfen. So viel Durchhaltevermögen könnte
man fast Sturköpfigkeit nennen. Very British. Gestern Abend feierte nun
“Sherlock Holmes” als Musical im First Stage Theater in Altona Premiere.
Wichtigste Frage: Kann es mit der hochgefeierten BBC-Serie mithalten? Fiese
Frage, natürlich nicht. Dennoch lohnt sich die Inszenierung, findet Moritz Herrmann,
der das Musical bereits vorab gesehen hat. Seine
Rezension lesen Sie hier
.

“Ich rechne ständig damit, dass es vorbei ist”


© Gerald von Fois

Gestern gab das Bochumer Krimi Archiv die
Gewinner der Deutschen Krimipreise bekannt. An erster Stelle in der Kategorie
“National” landete das Buch “Mexikoring” der Hamburgerin Simone Buchholz.

Elbvertiefung: Herzlichen Glückwunsch, Frau Buchholz! Sie bekommen ja ohnehin
gefühlt andauernd Preise, gewöhnt man sich irgendwann schon dran?

Simone Buchholz: Nee, da gewöhnt man sich überhaupt nicht dran. Weil ich auch
vorsichtshalber nicht damit rechne. Vielleicht hat das auch damit zu tun, dass
ich eine Frau bin und immer tiefstaple. Bei jedem neuen Buch denke ich mir:
Jetzt bin ich bei den Rezensionen sicher wieder in der Ohrfeigenanstalt
gelandet, obwohl das sehr selten passiert. Aber, nein, ich gewöhne mich nicht
dran. Ich freu mich, und ich freue mich für jede Frau mit, die so einen Pott
gewinnt, das arbeitet an der Sichtbarkeit von Frauen, auch gesellschaftlich. In
dem Moment, wo man so ein Ding in der Hand hält, wird man besser gehört.

EV: Was kann man sich für
einen Deutschen Krimipreis kaufen – außer mehr Lautstärke?

Buchholz: Erst
mal gar nichts, der Preis ist ja undotiert. Aber es ist ein wahnsinnig
wichtiger Preis, der einem dabei hilft, sich zu etablieren. Und er macht, dass
man an meiner Arbeit nicht mehr vorbeikommt. Denn es ist natürlich schön, wenn
ich vom Schreiben leben kann, aber vor allem möchte ich mit meinen Geschichten
in die Köpfe der Menschen, um etwas zu bewegen. Das geht besser, wenn man ein
bisschen dekoriert ist.

EV: Verzeihung, aber
etabliert sind Sie doch längst?

Buchholz: Das
sagen Sie! Ich rechne ständig damit, dass es vorbei ist. Diese Angst haben doch
alle Künstler, dass man draufkommt, dass sie nur bluffen.

EV: Aber vor allem Frauen!

Buchholz: Ich
kenne auch viele Männer, die diese Angst haben.

EV: Was wollen Sie denn in
die Köpfe der Menschen kriegen?

Buchholz: Ich
hoffe, dass durch jeden Satz in meinen Romanen meine Haltung schimmert, wie ich
die Welt, die Menschen und die politischen Verhältnisse sehe. Und auch, was ich
von Gewalt halte – die in meinen Romanen ja gar nicht so explizit vorkommt. Mir
geht es eher darum, was Gewalt mit Menschen macht. In “Mexikoring” geht es um
strukturelle Gewalt und um Menschen, die in geschlossenen System stecken und
davon getreten werden. Ich möchte erzählen, was Gewalt hinterlässt, aber ich
möchte das nicht mit dem Zeigefinger machen, sondern über Figuren, die den
Lesern nahekommen.

Wie die Reaktionen auf die Bekanntgabe der
Preisträger waren und wieso sich Simone Buchholz manchmal in den Besitz eines
männlichen Geschlechtsorgans wünscht, erzählt sie im
Interview mit Sigrid Neudecker auf ZEIT ONLINE
.

Herrmanns Helden: Bestatter Björn Bieben


© Julius Schrank

Gestorben wird immer, sagt man.
Deswegen galt seine Branche lange als krisensicher. Doch das ist vorbei. Die
Menschen sparen am letzten Weg. Bestatter Björn Bieben müht sich, dass trotzdem
die Würde erhalten bleibt. Moritz Herrmann hat ihn begleitet – und erfahren,
wie jemand damit umgeht, täglich mit dem Lebensende konfrontiert sein zu
müssen, aber auch, wie stark die Konkurrenz im Geschäft mit dem Tod inzwischen
ist. Seinen Text lesen Sie hier.

Wer wir sind


© Maria Feck

Hallo, mein Name ist Anja Martens – ich bin Bildredakteurin
für die ZEIT:Hamburg. Was man so als Bildredakteurin den ganzen Tag macht,
fragen Sie sich? Die Augen offen halten, das Offensichtliche und das scheinbar
Nebensächliche sehen und zeigen. Der Stadt, den hier lebenden Menschen mit den
Bildern näherkommen, den Leser zum Betrachter machen. Hamburg hat so viele Gesichter,
in die es sich hineinzuschauen lohnt, so viele Oberflächen, die neugierig
machen auf das, was darunter sichtbar wird. Dabei helfen mir unterschiedlichste
Bildquellen und die vielen großartigen Fotografen und Fotografinnen hier. Jedes
Foto, jedes Bild muss zum Text passen, hat eine ihm eigens zukommende Aufgabe.
Doch sehen Sie in der neuen monatlichen ZEIT:Hamburg selbst – in etwas mehr als
einer Woche!

Was Sie heute erleben können

Kaffeepause

Auf der Kaffeelinie

Das Blackline ist ein kleines, höchst geschmackvoll eingerichtetes Café mit einem hohen großen Tisch in der Mitte sowie ein paar tiefen Tischen und Stühlen drum herum. Der alte Fliesenboden passt hervorragend zu den bodentiefen Fenstern und den kleinen gerahmten Grafiken an der Wand. In der Auslage wird Herzhaftes wie belegte Brötchen angeboten, aber auch eine kleine Auswahl an Kuchen. Der Zitronenkuchen (3 Euro) ist ein wenig fest, dafür nicht zu süß, und die Creme obendrauf sehr lecker. Auch die Schokotarte (3 Euro) ist ein Treffer, doch am überzeugendsten ist dieser überaus feine Cappuccino (2,80 Euro). Hergestellt mit Biomilch vom Milchhof Reitbrook und einem Kaffee aus der kleinen Hamburger Rösterei onetake, ist er ein ausgeklügeltes Zusammenspiel aus cremig und herb – auch wenn das Motto des Blackline lautet “We do coffee, not science”. Irgendwie steht das zugleich auch für das gesamte Café: ein schlichter, schöner Ort, nicht ohne Kratzer, an dem man sich sehr wohlfühlen kann.

Blackline; Eimsbüttel,
Eppendorfer Weg 67, Mo-Fr 8–18 Uhr, Sa, So 10–17 Uhr

Elisabeth Knoblauch

Was geht

Kritische Töne: Eigentlich wollte Jeremy Loops auf dem
Finanzmarkt Karriere machen. Heute ist der Südafrikaner das Gegenteil eines
Bankers: langhaariger Umweltaktivist, Meister an der Loop-Station, Surfer-Boy.
Entsprechend hat er seinem neuen Reggae-Jazz-Pop-Album den Titel “Critical As
Water” gegeben.

Große Freiheit 36, Große Freiheit 36, 19.30 Uhr, VVK 29,45 Euro

Flucht im Buch: Sigmund wächst als Waise im Hotel Dellbrück auf,
muss mit 15 Jahren vor den Nazis nach England fliehen. Als er nach dem Krieg
heimkehrt, fällt es ihm schwer, im Nachkriegsdeutschland heimisch zu werden.
Lesung von Michael Göring: “Hotel Delbrück”.

Literaturhaus, Schwanenwik 38, 19.30 Uhr, 12 Euro

Trump flimmert: Kaum eine Wahl hat die Öffentlichkeit so
beschäftigt wie jene von Donald Trump zum US-Präsidenten. Als einer der
wenigen, die das Ergebnis vorhergesagt haben, offenbart Michael Moore die
Mechanismen, die zur Machtergreifung geführt haben. Im Fokus steht dabei nicht
nur Trump selbst, sondern vor allem das Versagen der Demokraten. “Fahrenheit
11/9”,
Englisch mit Untertiteln.

3001
Kino
, Schanzenstraße 75, 21.15 Uhr,
9 Euro

Hamburger Schnack

Neulich in der U-Bahn. Ein ziemlich heruntergekommener Mann fragte die Reisenden, ob sie nicht eine kleine Spende für ihn hätten. Alle schüttelten den Kopf oder starrten aufs Handy. Er verließ dann frustriert mit der Bemerkung “Dann esst doch eure iPhones” den Zug. Für diese coole Bemerkung hätte er an und für sich eine Zuwendung verdient.

Gehört von Hartwig Kock

Meine Stadt

Aus Ermangelung an Vögeln und Winter kommt unser Meisenknödel dieses Jahr als grüner Meteor daher

Aus Ermangelung an Vögeln und Winter kommt unser Meisenknödel dieses Jahr als grüner Meteor daher


© Jens Hoffmann/unsplash.com

Die heutige Ausgabe zum
vertieften Lesen

Was
die Premiere des Musicals “Sherlock
Holmes” mit dem Brexit zu tun hat.

Krimipreisträgerin
Simone Buchholz erzählt im Interview, warum sie sich kurz nach der Preisvergabe
erst einmal geärgert hat – und wieso sich manchmal den Besitz eines männlichen
Geschlechtsteils wünscht.

Moritz
Herrmann unterwegs mit Bestatter Björn Bieben.

Hits: 6