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Frauenbewegung: Tausche Butler gegen Beyoncé

Seit 2015 lebe ich in den USA und konnte beobachten, wie sich der amerikanische Feminismus in dieser Zeit verändert hat. Feministin zu sein ist zum Trend geworden. Im Schatten von Massendemonstrationen schrumpft das Erbe feministischer Pionierinnen auf Slogans wie “The Future is Female” oder “I’m with Her” zusammen. Der Feminismus hat sich von einer politischen Bewegung zu einem sentimentalen Popphänomen verschoben, ist mehr Beyoncé-Konzert als Butler-Lesekreis. Klar, die einst radikale politische Bewegung wird durch diese öffentliche Performance eines schillernden Popfeminismus inhaltlich ziemlich reduziert und historisch simplifiziert. Aber ist das wirklich so eine schlechte Entwicklung?

Laura Dshamilja Weber, geboren 1989 in München, arbeitet als Literaturscout in New York. Nach dem Literaturstudium in Berlin und London zog sie 2015 in die USA. Sie ist Gastautorin von "10 nach 8".

Laura Dshamilja Weber, geboren 1989 in München, arbeitet als Literaturscout in New York. Nach dem Literaturstudium in Berlin und London zog sie 2015 in die USA. Sie ist Gastautorin von “10 nach 8”.
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Wie jede andere Form politischen Aktivismus im 21. Jahrhundert macht sich auch der Feminismus soziale Netzwerke zu nutzen. Feministinnen wie Roxane Gay, Lena Dunham, Laurie Penny, Caitlin Moran oder Tarana Burke erreichen mit ihren aufklärenden, inspirierenden und tröstenden Posts auf Instagram die Massen. Der Zugang zu feministischen Diskussionen ist dadurch viel unmittelbarer und schneller geworden. Man muss nicht zu Vorlesungen oder Lesekreisen fahren, komplizierte theoretische Bücher studieren oder verzweifelt Gleichgesinnte suchen. Es genügt der Tweet einer bekannten Persönlichkeit über ihre eigene traumatische Erfahrung, um bei Millionen von Usern Gefühle wie Betroffenheit, Empathie und Solidarität auszulösen.

Und auch die Mode- und Unterhaltungsindustrien reagieren darauf und versuchen, aus der neuen Sensibilität gegenüber feministischen Inhalten Profit zu schlagen. Überall werden T-Shirts und Leinenbeutel mit “Girl-Power“-Sprüchen angeboten. In den Buchhandlungen gibt es inzwischen nicht nur ein Regalbrett mit feministischer Literatur, sondern gleich eine ganze Abteilung. Seit Trumps Präsidentschaft sind die Verkaufszahlen von kanonischen Texten wie Margaret Atwoods The Handmaid’s Tale oder neuere Schriften wie Chimamanda Ngozi Adichies Manifest We Should All be Feminists regelrecht durch die Decke gegangen.

Spotify und AppleMusic bieten wöchentlich Playlisten mit den “Top Feminist Songs” an, worunter sowohl Mainstreammusikerinnen wie Taylor Swift und Katy Perry als auch einige tatsächlich politisch engagierte Sängerinnen wie Macy Gray und Janelle Monáe gelistet sind. Prominente, die sich öffentlich als Feministinnen identifizieren, werden als fortschrittliche Künstlerinnen gefeiert. Das Bild der verpönten, männerhassenden Emanze ist durch eine starke, selbstbewusste und coole Frau ersetzt worden, die ihre politische Einstellung mittels hübscher Werbeartikel und Memes stolz der Welt mitteilt.

Die Frage ist nur, was dieser Mainstreamfeminismus bewirken kann. Handelt es sich dabei nur um einen vorübergehenden Trend oder um eine nachhaltige Bewegung? Ist Feminismus zu einer Performance reduziert worden? Jessa Crispin, die Autorin von Warum ich keine Feministin bin, warnt davor, dass der Feminismus seine politischen Ziele aus den Augen verloren habe und Gefahr laufe, sich selbst zu entleeren.

Es stimmt, dass sich gerade die Onlinediskussionen viel häufiger mit abstrakten Forderungen nach Gleichheit, Konsens oder Selbstbestimmung beschäftigen als mit konkreten Programmpunkten wie finanzieller Gleichstellung, reproduktiver Selbstbestimmung, staatlich subventionierter Kinderbetreuung oder geschlechtergerechter Sprache. Im Gegenteil zu früher erscheint der heutige Popfeminismus unpolitisch, konform, polemisch und vor allem massentauglich. Aber liegt das Potenzial zur gesellschaftlichen Veränderung in einem präzise formulierten, radikalen politischen Programm oder in der Mobilisierung von Massen?

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