/Deutschland und Frankreich: “Eine gemeinsame Antwort auf erstarkenden Nationalismus”

Deutschland und Frankreich: “Eine gemeinsame Antwort auf erstarkenden Nationalismus”

Genau 56 Jahre nach Unterzeichnung des Élysée-Vertrages haben Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Staatspräsident Emmanuel Macron im Aachener Rathaus den neuen deutsch-französischen Freundschaftsvertrag unterzeichnet. “Wir bekräftigen, dass wir die großen Herausforderungen unserer Zeit Hand in Hand angehen wollen”, sagte Merkel. Der Vertrag sei eine gemeinsame Antwort beider Länder auf erstarkenden Populismus und Nationalismus. In diesen “besonderen Zeiten” brauche es entschlossene, eindeutige, klare und zukunftsgerichtete Antworten, sagte die Kanzlerin.

Macron hob hervor, das gemeinsame Ziel müsse nun sein, “dass Europa der Schutzschild unserer Völker gegen die neuen Stürme in der Welt ist”. Die deutsch-französische Freundschaft, die gemeinsamen Projekte und Ziele machten es möglich, “unser Leben in die eigene Hand zu nehmen, unser Schicksal frei aufzubauen”, fügte er hinzu und betonte, die Liebe zur Heimat und die europäische Integration seien keine Widersprüche. “Wir lieben unsere Vaterländer”, sagte der französische Staatschef, “aber wir lieben auch Europa”. Es gehe nicht um den Traum von einem neuen Imperium, sondern um ein demokratisches Projekt. Rund vier Monate vor der Europawahl warnte Macron vor den Gefahren für das europäische Projekt, etwa durch den britischen EU-Austritt und der Nationalismus. Er lobte in seiner Rede ausdrücklich Merkel, die immer zu Frankreich und Europa gestanden habe.

Beide Regierungen hatten sich mit dem Vertrag auf eine Liste von rund 15 Projekten verständigt, deren Umsetzung sofort angegangen werden soll. So soll unter anderem das Atomkraftwerk Fessenheim nahe der deutschen Grenze abgeschaltet werden. Unmittelbar geplant seien außerdem grenzüberschreitende Bahnprojekte, der gemeinsame Einsatz für EU-Standards zur Regulierung von Finanzdienstleistungen und die Einrichtung einer Arbeitsgruppe zur Energiepolitik.

Am 22. Januar 1963 hatten in Paris der damalige Kanzler Konrad Adenauer und Präsident Charles de Gaulle den ersten deutsch-französischen Freundschaftsvertrag unterzeichnet, den sogenannten Élysée-Vertrag. Der nun beschlossene Vertrag von Aachen sieht eine engere Zusammenarbeit in der Wirtschafts-, Verteidigungs- und Europapolitik vor. Geplant sind unter anderem ein deutsch-französischer Wirtschaftsraum ohne bürokratische Hürden und gemeinsame Regeln für Rüstungsexporte. Mithilfe eines Bürgerfonds sollen Bürgerinitiativen und Städtepartnerschaften gefördert werden.

“Wir brauchen einen noch engeren Schulterschluss mit Frankreich”

Es habe wohl kaum einen Moment gegeben, “in dem es mehr darauf ankam, dass das deutsch-französische Tandem läuft”, sagte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) vor der Unterzeichnung des Vertrags. Deutschland und Frankreich zeigten mit dem Pakt Handlungsfähigkeit. Er sei das Gegenmodell zu “Mein Land first“.

“Heute gibt es kein Land, dem wir enger verbunden sind als Frankreich. Aber wir dürfen uns nicht auf dem Erreichten ausruhen”, schrieb Bundesaußenminister Heiko Maas in einem Gastbeitrag in der Passauer Neuen Presse. Populisten und Nationalisten seien weltweit auf dem Vormarsch, schrieb der SPD-Politiker weiter. Zölle und Handelsstreitigkeiten bedrohten den Wohlstand. Völkerrecht werde offen infrage gestellt. Krisen und Konflikte hätten Auswirkungen bis nach Europa. “In diesen Zeiten brauchen wir einen noch engeren Schulterschluss mit Frankreich”, so der Außenminister.

Am Rande der Unterzeichnung gab es in Aachen Proteste der sogenannten Gelbwesten: Rund 120 Demonstranten versammelten sich in Sichtweite des Aachener Rathauses und forderten etwa billigere Mieten und mehr soziale Gerechtigkeit. Nach Angaben der Polizei handelte es sich in der Mehrzahl um deutsche Staatsbürger.

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