/Bestatter : Bestatten, Bieben

Bestatter : Bestatten, Bieben

Seinen ersten Toten erinnert er genau. Den ersten Toten erinnerst du immer. Er war noch in der Probezeit, als der Auftrag kam. War nicht so einfach, aber auch nicht so schlimm, sagt er heute. Schlimm fand er, dass er die Routine nicht hatte, nicht jeder Handgriff saß am Toten, auch wenn man es ihm verzieh. Vor diesem ersten Toten hatte er gar nicht gewusst, ob er das kann. Danach wusste er: Ich kann das. Aber dann will ich auch alles können. Und so wurde Björn Bieben, der KfZ-Mechaniker gelernt hatte, Bestatter.

An einem kalten Morgen, sechs Jahre später, steigt dieser Bieben, ein Hamburger, verheiratet, zwei Kinder, in den Bestatter-Mercedes und fährt durch verstopfte Straßen zum Heidberg-Krankenhaus. Ein Toter, der nächste, der wievielte mittlerweile? Weiß er nicht. Du hörst irgendwann zu zählen auf. Aber natürlich ist das heute ein bequemer Abtransport, ist es immer, wenn im Krankenhaus verstorben wird. Schwieriger bisweilen, wenn sie Verstorbene privat holen, wobei schwierig für Bieben eine relative Kategorie ist.

Alles an seinem Beruf scheint, von außen betrachtet, schwierig. Aber die Griffe, die er damals nicht konnte, gehen ihm nun leicht von der Hand. Bieben weiß, was zu tun ist: Der Kollege wartet im Wagen, er geht vor, sichtet auch den Weg, der zu bewältigen ist. Ob Treppen eng, Türen schmal, Flure verwinkelt sind. Hinterbliebene muss er trösten, beraten, in Ruhe lassen. Manche haben abgeschlossen. Manche können nicht abschließen.

Bestatter Björn Bieben

Bestatter Björn Bieben
© Julius Schrank für DIE ZEIT

Ich kann nicht den Schmerz nehmen, sagt Bieben, ich kann nur sagen: Wir kümmern uns um alles Weitere und sorgen dafür, dass es mit Pietät und Sorgfalt bestritten wird. Er fragt immer: Brauchen Sie noch Zeit? Und wenn jemand noch Zeit braucht, geht Bieben aus dem Raum, zum Wagen zurück, und wartet. Wir hetzen niemanden, sagt er. Abschied nehmen dauert. Wenn sie den Verstorbenen holen, vielleicht zehn Minuten, vielleicht eine Stunde später, tragen sie ihn mit den Füßen voran über die Schwelle, denn so, wie er sein Heim betreten hat, soll er es verlassen.

Es ist eine harte, umkämpfte Branche, der es mal besser ging

Am Heidberg wartet die Pathologin. Man nickt sich zu, konspirativ beinahe, das geheime Vertrauen von Menschen, die jeden Tag erleben, wie Leben endet. Der Verstorbene, Kühlraum 6, Platz 3, soll kremiert werden. Heißt, später muss ein Amtsarzt für eine zweite Leichenschau in Biebens Institut kommen. Heißt auch, sie brauchen den Totenschein T3. Bieben reicht der Frau eine Vollmacht, die es ihm erlaubt, den Mann mitzunehmen. Allzu oft schon gab es Bestatter, die einfach behaupteten, sie seien beauftragt. Einmal kamen zwei Bestatter für den gleichen Toten, erzählt die Pathologin, die haben sich gestritten, dabei war keiner der beiden von der Familie angewiesen.

Es ist eine harte, umkämpfte Branche. Um Überführungen wird gebuhlt, manchmal mit unlauteren Mitteln. Bieben ist ziemlich froh, beim GBI zu arbeiten, dem Großhamburger Bestattungsinstitut. Die lilafarbenen Werbebanderolen sollte jeder in der Stadt schon gesehen haben, in der Bahn oder im Bus, und die Geschäftsstelle, die sich gegenüber dem Ohlsdorfer Friedhof duckt, ist gleichsam bekannt. Beim GBI ist man stolz auf seine Seriosität, über hundert Jahre Bestattungstradition, gute Trauerbegleitung, und mit Befremden nimmt man Konkurrenten zur Kenntnis, die sich unterbieten, Discountbewerber, eine Branche also, der es mal besser ging und die sich verändert.

Gestorben wird wie je, bestattet nicht mehr. Immer weniger lassen sich in die Erde legen, Urnen boomen, und neue Trends ergänzen das alte Angebot. Weniger Trauerfeiern, weniger kirchliche Feiern, die Kosten für die Grabpflege schrecken viele ab. Oft wollen sich die Sterbenden Verwandten und Freunden nicht aufbürden.

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