/Saoirse Ronan: “Ich hasse es, zu enttäuschen”

Saoirse Ronan: “Ich hasse es, zu enttäuschen”

Saoirse Ronan war das missverstandene Kind in “Abbitte”, der trotzige Teenager in “Lady Bird” und nun die junge Königin Maria Stuart. Drei Oscarnominierungen hat die 24-Jährige bereits, für diese Rolle könnte sie den Preis tatsächlich bekommen. Beim Gespräch in Berlin ist
Ronan hoch konzentriert und äußerst präzise in ihrer Wortwahl. Nach dem Ende
des Interviews kommt sie noch einmal auf den Hotelkorridor. Sie will
sich vergewissern, dass sie auch wirklich alle Fragen ausführlich genug
beantwortet hat. 

ZEIT ONLINE: Im Film Maria
Stuart, Königin von Schottland
scheinen Freundschaft und vor allem Friede
möglich – wenn nur die Männer auf die Frauen hören würden. Gefällt Ihnen
diese Vorstellung? 

Saoirse Ronan: Oh ja. Ich liebe die Vorstellung, dass Frauen
zusammenarbeiten und Unterstützung finden. Das führt zu großartigen
Ergebnissen. Schließlich können sie genauso proaktiv, kreativ und
zukunftsweisend sein wie Männer. Ich glaube, hätten sich Maria und Elisabeth
gemeinsam an einen Tisch gesetzt, sie hätten wahrscheinlich eine Lösung, einen
Kompromiss gefunden.

ZEIT ONLINE: Warum passiert das nicht? Warum wird Maria im
Film mit ihrem Bestreben, Frieden zu ermöglichen und eine gute Herrscherin zu
sein, nicht wahrgenommen?

Ronan: Weil die Lords und die Berater der beiden Königinnen sie auseinanderhalten wollen. Weil sie ahnen, dass ihre eigene Machtstellung
schrumpfen würde, wenn sich die beiden Herrscherinnen zusammentun und
zusammenarbeiten würden. Würden die beiden Frauen ihre Macht vereinen, wären diese Männer an
den Rand gedrängt.

ZEIT ONLINE: Was ist an dieser Geschichte aktuell?

Ronan: Wir haben uns sicherlich – oder zumindest
wahrscheinlich – ein wenig selbst gezähmt. Aber die Muster sind die gleichen
geblieben. Egal, ob Mann oder Frau, auch heute kommt es darauf an, ob jemand gut
mit seiner Stellung umgeht oder sie missbraucht. Daran hat sich
nicht wirklich etwas geändert.

ZEIT ONLINE: Im Film wirkt es so, als würden nur die
weiblichen Figuren sich nach Frieden sehnen und auf ihn zuarbeiten.

Ronan: Das ist die künstlerische Interpretation der
tatsächlichen Ereignisse. Aber auch im Film zieht Elisabeth in den Krieg gegen
Maria und später wird sie sie zum Tode verurteilen.

ZEIT ONLINE: Spielt Eifersucht in dieser speziellen
weiblichen Konstellation eine Rolle?

Ronan: Elisabeth hegte sicherlich zwiespältige Gefühle für
Maria. Ihre junge Verwandte schickte sich an, genau jenes Leben zu führen, das
man auch von Elisabeth und jedem männlichen Herrscher erwartete: heiraten, einen
Erben bekommen, Macht und Ansehen mehren. Eine ganze Weile sieht es so aus, als
würde Maria all das auch umsetzen und bekommen. Elisabeth hingegen schafft es
nicht, ihre persönlichen Wünsche mit den Pflichten ihrer Herrscherinnenrolle zu
vereinbaren. Maria ist eine Konkurrentin. Darüber hinaus war sich Elisabeth sehr
wohl darüber bewusst, wie geschickt Maria im Umgang mit anderen Menschen war.
Sie konnte ihr Gegenüber lesen und erfasste intuitiv, wie jemand tickte. Sie
konnte die Menschen auch manipulieren, wenn es sein musste. Elisabeth wusste,
dass Maria vermutlich auch sie um den Finger wickeln würde.

ZEIT ONLINE: Im Film kommt Maria den Menschen um sie herum
sehr nahe. Das spielen Sie so gut, dass man verleitet ist, zu glauben, es
entspräche Ihrem eigenen Naturell.

Ronan: Das ist auch so. Das ist vermutlich bei uns
Schauspielern generell so, und ich übertreibe es wahrscheinlich manchmal. Wenn
ich jemanden treffe, frage ich ihn gleich, ob er mir etwas über seine Eltern
erzählen kann. Ich liebe es, Menschen nahezukommen! Es gibt mir so viel. Wenn
es funktioniert, können wunderbare Beziehungen entstehen. Und in unserem Beruf
kann man sich nur verbessern, wenn man jemandem nahekommt, wirklich sehr nahekommt.

ZEIT ONLINE: In der zentralen Szene des Films kommen sich Maria
und Elisabeth sehr nahe. Es ist ihre einzige Begegnung im Film. Und es war auch
die einzige von Margot Robbie und Ihnen während der Dreharbeiten.

Ronan: Das stimmt. Margot hatte zu dem Zeitpunkt bereits drei
Wochen Drehzeit hinter sich. Meine Drehzeit lag noch vor mir. Wir hatten uns
also tatsächlich noch nicht bei den Proben getroffen. Wir haben dann trotzdem
darum gebeten, auch diese Szene getrennt voneinander zu proben. Das Einzige,
was ich getan hatte, war meinen Text wirklich gut auswendig zu lernen. Ich bin
ihn immer wieder durchgegangen, sodass er mir gänzlich vertraut war und ich
nicht mehr über ihn nachdenken musste. Am entscheidenden Drehtag sind Margot
und ich die Szene dann nur ein- oder zweimal gemeinsam durchgegangen. Wir
wollten sie nicht zu Tode reden. Sie sollte einfach geschehen, und ich wollte
sehen, wohin sie mich führen würde.

ZEIT ONLINE: Haben Sie gespürt, dass da gerade etwas
Besonderes entsteht?

Ronan: Ja, und ich glaube, das wollten wir auch beide. Dazu
kam, dass es Margots letzter und mein erster Drehtag war, es war also für uns
beide ein sehr emotionaler Tag.

Hits: 3