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Spitzensportler: Der Olympiasieger und der Mindestlohn

Richard Schmidt beeilt sich dieser Tage, zügig vom Training wegzukommen. Der Ruderer aus dem Deutschland-Achter springt dann schnell aus dem Boot ins Auto und fährt heim: ab vor den Fernseher, Handball gucken. Nicht, dass er seinen eigenen Sport nicht mehr mochte. “Aber Handball ist schon cool”, sagt der 31-Jährige.

Er hat das selbst als Kind gespielt, Rechtsaußen, bevor er endgültig ins Boot wechselte, weil er es mehr liebte. Im Handball würde er heute wohl mehr verdienen. Auch Sponsoren würden sich bei einer TV-Präsenz wie bei der WM leichter finden. Nein, reich wird Richard Schmidt als Ruderer nicht mehr – da geht es ihm wie den meisten Spitzensportlern in Deutschland, selbst wenn sie wie er Olympiasieger und Weltmeister sind.

Die Deutsche Sporthochschule Köln (DSHS) hat im Auftrag der Deutschen Sporthilfe eine Studie veröffentlicht. Sie hat die Einkommenssituation der Sporthilfe-geförderten Athleten in Deutschland unter die Lupe genommen. Deutschlands Spitzensportler meistern demnach im Durchschnitt eine 56-Stunden-Woche. Entlohnt werden sie im Schnitt mit 7,41 Euro pro Stunde – der gesetzliche Mindestlohn liegt aktuell bei 9,19 Euro. Die besten Sportler dieses Landes verdienen demnach etwa 1.560 Euro im Monat, brutto.

Der Achter ist die Marke, nicht er

“Die Studie ist total erschreckend. Sie spiegelt unser Empfinden aber auch sehr gut wider”, sagt Richard Schmidt. Die Lebenszufriedenheit von Sportlern liegt dann auch leicht unter dem deutschen Durchschnitt. 

Richard Schmidt ist 31 Jahre alt. Laut der Studie kommt er als Ruderer auf etwa zwölf Trainingseinheiten pro Woche, das sind 35,8 Stunden Sport. Im Winter ist es auch mal mehr, sagt er. Rudern ist zeitintensiv. Man muss Kilometer um Kilometer schrubben, sagt Schmidt, so wie sie im Schwimmen die Kacheln zählen.

Ruderer sind im Durchschnitt laut der Studie noch einmal 24,2 Stunden mit Arbeit, Ausbildung oder Studium beschäftigt. Bei ihm kommen auch hier eher mehr Stunden zusammen, Schmidt ist Sportsoldat, studierter Wirtschaftsingenieur, promoviert in
Energietechnik. 30 bis 35 Stunden, glaubt er. Also insgesamt eine 60-bis 70-Stunden-Woche.

“Wir als Achter haben noch Glück. Aber für die Frauen, Junioren und die anderen Männer im Rudern ist es so schwierig wie in allen anderen Sportarten.” Richard Schmidt rudert seit der Grundschule. Dem deutschen Flaggschiff, dem Achter, gehört der Trierer seit zehn Jahren an. Er hat mit ihm Olympiagold und Silber gewonnen, will noch nach Tokio. Aber das Gesicht des 1,91 Meter großen Blondschopfs kann trotzdem kaum jemand dem Erfolg zuordnen.

“Man kennt die Leute nicht, aber der Achter selbst ist ‘ne Marke.” Der Deutschland-Achter und seine Sportler profitieren von einer langen Tradition. Der Achter, das ist der Mythos. Der Achter, der steht für Erfolg. Schon vom Namen her. So haben die Sportler auch einen Hauptsponsor, der neue Boote und Trainingslager bezahlt, manchmal auch Praktika organisiert.

Fußball frisst sie alle

Das ist aber eben ein Kollektivding, sagt Schmidt. Als Einzel-Athlet an regionale Sponsoren zu kommen, ganz ohne bekannt zu sein als Person, das sei eher schwierig. Er will sich nicht ausmalen, wie es für die anderen Boote ist. Oder die anderen Sportarten. Die ohne Mythos – und ohne Medienpräsenz.

Denn das, sagt Richard Schmidt, ist ein großes Problem bei Verhandlungen. “Die Leute sitzen vor uns und dann werden uns die Fernsehminuten vorgerechnet. Und dann heißt es, eine Million in den Fußball zu stecken lohnt sich vom Werbewert mehr als 10.000 im Rudern.” Der Fußball frisst sie eben alle. 

Beim Deutschland-Achter versuchen sie, mit einem Instagram- und Facebook-Auftritt Pluspunkte zu sammeln. Das sei aber nur Schadensbegrenzung, sagt Schmidt. Denn: “Bei Olympia darf man sich gar nicht vermarkten”, sagt er. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) lässt nur seine eigenen Sponsoren zu. Dabei stehen die Athleten im Mittelpunkt der Spiele, sagt Schmidt. Und sind oft der einzige Fernsehtermin, den die Sportarten haben. Drei Wochen, alle vier Jahre. 

Richard Schmidt ist auch Athletensprecher des Ruderverbands. Er steht im Austausch mit anderen. Warum zum Beispiel im Winterfernsehen das ganze Wochenende mit Schneesport gefüllt wird und im Sommer kaum etwas passiert, erschließt sich den Sportlern nicht. Die kuschelige Couch in der Kälte mit dem Fernseher vor sich hin oder her. Da hilft auch der Verweis auf ein anderes Verhalten von Zuschauern zwischen Sommer und Winter nicht.

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