/Feminismus : “Ich habe ja selbst eine Stimme”

Feminismus : “Ich habe ja selbst eine Stimme”

Die Liste der Künstler, die schon im Boogie Park
Studio in Hamburg-Ottensen gearbeitet haben, ist lang: Lionel Richie und Bonnie
Tyler etwa, Jan Delay und Udo Lindenberg. Zuletzt nahm hier die Hamburger
Musikerin Ada Brodie, bürgerlich Elena Bongartz, ein Album auf — live
eingespielt in einer 36-Stunden-Session. Es ist Musik, die gut gealtert klingt,
obwohl sie neu ist – und die fast nichts gemeinsam hat mit dem Deutschpop auf
den beiden Vorgängeralben, die sie unter dem Namen “Elena” eingespielt hat.
Das Album, “The Grand Tale”, erscheint am 22. Februar auf Vinyl und digital, am
Freitag spielt sie im Hamburger Jazzclub Birdland ihr erstes Konzert. Ein
Interview über den Neuanfang – und ein altes Problem

ZEIT ONLINE: Ada Brodie – der Name klingt,
als hätte man ihn schon mal gehört.

Elena Bongartz: Ada ist der Name meiner
Großmutter väterlicherseits, Brodie hieß die Mutter meiner Mutter. Zwei
unfassbare Frauen: neugierig und offen, zuverlässig und verantwortungsbewusst,
sehr stark, aber mit großer Wärme. Leider leben sie nicht mehr, sie haben mich
sehr beeindruckt. 

ZEIT ONLINE: Ist die nostalgische Note
Absicht, die im Namen mitschwingt?

Elena Bongartz: Ja, denn auch die Musik
hat einen nostalgischen Ansatz. Ich hatte den Eindruck, dass es inzwischen sehr
viele deutsche Singer-Songwriter gibt. Davon – und ein Stück weit auch von dem,
was ich bisher gemacht habe – wollte ich mich absetzen. Die Musik auf The
Grand Tale
klingt jazzig, aber ich wollte kein Retro-Produkt schaffen, das
nach Sixties-Soul klingt oder nach Zwanzigerjahre-Jazz. Was ich wollte, war Tiefgang.
Musik mit einer Historie, die aber auch mit meiner Lebenswelt zu tun hat und
mit den Themen, die mich beschäftigten. 

ZEIT ONLINE: Was sind das für Themen?

Elena Bongartz: Ich habe mir vorgestellt,
dass ich meine große Schwester wäre, die mich betrachtet. Was für eine Frau
sieht sie, wer ist sie selbst, wer wäre ich gern? Welche Ratschläge oder
Erfahrungen könnte sie mit mir teilen, wozu würde sie mich ermahnen, wie würde
sie mit meinen Unsicherheiten umgehen? Ich war zu Hause immer die Kleinste,
eine solche große Schwester hätte ich manchmal gern gehabt. 

ZEIT ONLINE: Und? Welchen Ratschlag geben
Sie sich?

Elena Bongartz: Viele der Songs handeln
von feministischen Themen – einer heißt The one mean girl, er handelt davon,
dass es manchmal keine schlechte Idee ist, böse und gemein zu sein. Das ist
etwas, womit viele Frauen sich ja sehr schwertun.

ZEIT ONLINE: Wenn man nach Ihren früheren
Projekten googelt, findet man sehr oft die gleiche Schlagzeile: Die Schwester von
David Garrett macht auch Musik. 

Elena Bongartz: Ja, verrückt, oder? Und
das im Jahr 2019, während alle über Genderthemen diskutieren. 

ZEIT ONLINE: Haben Sie eine Erklärung
dafür? 

Elena Bongartz: Ein klarer Fall von
Clara-Schumann-Effekt – eine hervorragende Musikerin, die nur dafür bekannt
war, die Ehefrau eines anderen Musikers zu sein. Ehrlich gesagt hat es mich
erstaunt, dass das nicht auch hier der Gesprächseinstieg war. Bei Interviews
taucht mein Bruder so gut wie immer in den ersten zwei Fragen auf. Und das ist
ja auch verständlich bei einem Namen, der die Glocken klingeln lässt. Aber
vielleicht ist das von außen nicht so leicht zu verstehen: dass auch bei zwei
Geschwistern jeder den Raum hat, für sich zu sein. 

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