/“Immenhof”: Heimat ist, wo … ja, wo eigentlich?

“Immenhof”: Heimat ist, wo … ja, wo eigentlich?

Heimat ist nicht gleich
Landschaft, aber ohne Landschaft keine Heimat. Wie also, mit welchen Bildern,
mit welchen Worten, nähert man sich der Darstellung dessen, was eine Umgebung,
in der ein Mensch aufwächst, mit diesem Menschen macht? Das
Wort Heimat hat seine Unschuld seit Langem verloren. Da brauchte es nicht erst einen Horst Seehofer, der sich selbst zum Minister für Heimat
ausrief. In einer Zeit, in der die Bereitschaft wieder steigt, den diffus
definierten Heimatraum zur Not mit Gewalt gegen eine tendenziell imaginäre
Gefahr von außen zu verteidigen, wächst zugleich das Misstrauen gegen die
Konstruktion eines geschlossenen Systems als identitätsstiftender Raum. Mag dieser noch so unschuldig wie eine Landschaft sein. In diesen Tagen kommen zeitgleich
zwei deutsche Filmproduktionen in die Kinos, die sich auf denkbar
unterschiedliche Weise am Konzept Heimat abarbeiten.

Sharon von Wietersheims Immenhof – Das Abenteuer eines Sommers ist eine
Fortschreibung der 1955 begonnenen Immenhof-Reihe. Innerhalb von drei Jahren
entstanden seinerzeit drei Filme, die dann 1973 und 1974 weitergeführt wurden.
In der Hauptrolle agierte Heidi Brühl zunächst als zwölfjähriges Pferdemädchen
Dalli, das mehr als ein Jahrzehnt später an den Ort ihrer Kindheit zurückkehrt.
Die Immenhof-Filme waren, wie die gesamte deutsch-österreichische
Heimatfilmproduktion der Fünfzigerjahre, Ausdruck einer tiefen Nachkriegssehnsucht
nach Idylle. Das Bemühen um eine unverseuchte Identität fand seinen Ausdruck in
der Übersichtlichkeit einer heilen Gegenwelt. Die geschlossenen
Provinzuniversen, die routinemäßig konstruiert wurden, erlebten ihre Bedrohung
und ihre Erschütterungen nach einem klaren Freund-Feind-Schema durch ein von
außen kommendes Fremdelement; einen Zugezogenen, einen Störenfried, der das
funktionierende Sozialleben des Dorfes ins Ungleichgewicht brachte.

Dieser
binären Konstruktion folgt auch die neue Immenhof-Variante, die sich
inhaltlich stark an Die Mädels vom Immenhof, den ersten Teil der Trilogie,
anlehnt: Die 23-jährige Charly (Laura Berlin) kümmert sich nach dem Tod des
Vaters um ihre minderjährigen Schwestern Lou (Leia Holtwick) und Emmie (Ella Päffgen). Der Hof, auf dem die beiden jüngeren Schwestern einen Gnadenhof für
abgehalfterte Altpferde eingerichtet haben, steht kurz vor dem finanziellen
Aus. Jochen Mallinckroth (Heiner Lauterbach), der profitorientierte Besitzer
des Nachbargestüts, droht damit, Immenhof räumen zu lassen. Hinzu kommt das
Fremdelement aus der Stadt in Person des YouTube-Influencers Leon (Moritz
Bäckerling), der auf dem Immenhof Sozialstunden ableisten soll und zudem Lous
treuem, stillen und langjährigen Verehrer Matz (Rafael Gareisen) Konkurrenz
macht. Abgesehen davon, dass die Immenhof-Neuadaption weder mit Logikbrüchen
noch mit Dialogen von höchstem Fremdschämfaktor geizt, stellt sich die Frage:
Wer sollte sich so etwas anschauen wollen?

Immenhof bedient in einer komplett
unübersichtlich gewordenen Gegenwart allenfalls nostalgische Sehnsüchte nach
der Übersichtlichkeit einer kleinen Welt, in der Konflikte sich ohne Mühe restlos
auflösen lassen. Die Botschaft lautet: Alles kann immer gut werden, weil in
jedem etwas Gutes steckt. Wenn es darauf ankommt, hilft man sich. Heimat
ist mehr als nur ein Gefühl oder gar eine Erinnerung: ein konkret
vermessbares Terrain, das Heilung verspricht und Trost.

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