/Hamburger Legende: “Störtebeker war Kapitän und Kaufmann, kein Outlaw”

Hamburger Legende: “Störtebeker war Kapitän und Kaufmann, kein Outlaw”

Bei der Hinrichtung
von Klaus Störtebeker am 20. Oktober 1401 spielten sich
unglaubliche Szenen ab. Der Pirat und Anführer der berüchtigten
Vitalienbrüder trotzte dem Hamburger Bürgermeister das Versprechen ab, jene
seiner Gefolgsleute zu verschonen, an denen er nach seiner Enthauptung noch
vorbeilaufen könne. Elf Kameraden soll er kopflos passiert haben – so will es
zumindest die Legende. Wissenschaftlich gibt es dafür keine Beweise, nicht
einmal die Hinrichtung selbst lässt sich belegen. Was dran ist an den
Störtebeker-Geschichten, weiß der Historiker Gregor Rohmann, der sich mit
Piraten im Spätmittelalter auskennt.

ZEIT ONLINE: “Störtebeker war
gar kein Pirat, sondern hatte ein Inkasso-Unternehmen”: So titelte vergangene
Woche die Bild-Zeitung und berief sich auf Sie, Herr Rohmann. Wenn man sich das
Aufgabengebiet mal anschaut: Macht das denn so einen großen Unterschied?

Gregor Rohmann: Ja, das macht
sogar einen fundamentalen Unterschied. Ein Pirat handelt in eigenem materiellem
Interesse, er nimmt anderen Leuten etwas weg und steht damit nicht auf der
Seite des Gesetzes. Ein Inkasso-Unternehmer dagegen ist ein Geschäftsmann, der
in legalem Rahmen arbeitet und erst einmal nichts Kriminelles macht, selbst wenn
so jemand in der Praxis vielleicht auch gewalttätig vorgeht.

Gregor Rohmann ist promovierter Historiker und lehrt an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main.
© privat

ZEIT ONLINE: Wie muss man sich
das Inkasso-Unternehmen Störtebeker vorstellen?

Rohmann: Störtebeker war Kapitän
und Kaufmann – und ganz gut im Geschäft. Ich würde ihn übrigens
wissenschaftlich korrekt nicht als Inkasso-Unternehmer bezeichnen, sondern eher
als Gewaltdienstleister, aber um seine Tätigkeiten einem breiten Publikum zu
beschreiben, trifft es das schon. Störtebeker hatte zeitweise mehrere
Handelsschiffe und transportierte damit Waren. Er verdingte sich aber auch als
Auftragskämpfer und einmal wird er in Zusammenhang mit Schmuggel erwähnt. Er
kämpft also für Dritte, aber er hält sich meistens an die Spielregeln. Gewalt
war in der Welt des Spätmittelalters nicht grundsätzlich illegitim. Begrenzt
wurde sie eher durch gegenseitige Abschreckung und soziale Kontrolle.
Störtebeker war ein Mensch seiner Zeit, kein Outlaw. In Danzig, wo er wohnte,
war er ein wohlsituierter Bürger und ging vermutlich in der guten Gesellschaft
unter den Kaufleuten am Artushof ein und aus.

ZEIT ONLINE: Störtebeker wohnte
in Danzig? Wir dachten jetzt eher an Hamburg.

Rohmann: Der Legende nach
wurde der Pirat Klaus Störtebeker 1401 in Hamburg geköpft, historisch nachweisen
lässt sich das nicht. Aber es gibt in dieser Zeit eben einen Johann Störtebeker
aus Danzig, der war damals schon recht prominent. Es ist davon auszugehen, dass
sich die Legende auf ihn stützt. Allerdings wurde er nicht in Hamburg
hingerichtet, sondern lebte auf jeden Fall noch 1413, also mehr als zehn Jahre
später.

ZEIT ONLINE: Hatte denn Johann Störtebeker überhaupt etwas mit Hamburg zu tun?

Rohmann: Vermutlich schon. Der
Graf von Holland hatte um 1400 eine Fehde mit der Stadt Hamburg und heuerte 14 Kapitäne
mit ihren Besatzungen als Kämpfer an. Unter ihnen war auch Johann Störtebeker,
das lässt sich durch einen Dienstvertrag belegen, mehr aber auch nicht. Gödeke Michels übrigens, der andere bekannte Seeräuber, ist wohl tatsächlich 1401 in
Hamburg hingerichtet worden. Da könnte es sich um die gleiche Fehde handeln, wahrscheinlich
war auch er im Auftrag des Grafen von Holland unterwegs.

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