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Großbritannien: Wie geht es jetzt weiter in London?

Das britische Unterhaus hat den Brexit-Deal von Theresa May abgelehnt. Ein Misstrauensvotum gegen die Premierministerin ist beantragt. Welche Optionen hat sie noch?

15. Januar 2019, 22:45 Uhr

Großbritannien: Das britische Parlament am Ufer der Themse in London

Das britische Parlament am Ufer der Themse in London
© Adrian Dennis/AFP/Getty Images

Das britische Parlament hat das mit der EU ausgehandelte
Brexit-Abkommen mit deutlicher Mehrheit abgelehnt
. Gegen den Austrittsvertrag stimmten 432 Abgeordnete, 202 votierten
dafür. “Das Haus hat gesprochen und die Regierung wird zuhören”, sagte
die Premierministerin Theresa May nach der Abstimmung. Aber was folgt auf diese Ansage? 

Was bringt das Misstrauensvotum der Opposition?

Jeremy Corbyn, Oppositionsführer und Labour-Chef, hat einen Misstrauensantrag gegen die Regierung von May gestellt. Labour-Chef Jeremy Corbyn kündigte dies am Dienstag im Parlament an, nachdem May die Brexit-Abstimmung verloren und sich bereit erklärte hatte, sich am Mittwoch einem solchen Votum zu stellen.

Mit dem Misstrauensvotum hofft Labour auf vorgezogene Neuwahlen. Allerdings ist fraglich, ob Labour genug Stimmen gegen May versammeln kann. Die nordirische DUP, die Mays Minderheitsregierung stützt, hat der Premierministerin bereits öffentlich ihre Unterstützung zugesichert – vorausgesetzt, sie verhandelt noch einmal mit der EU. “Die Premierministerin muss zurück zur Europäischen Union gehen und fundamentale Veränderung zum Austrittsabkommen ersuchen”, sagte DUP-Chefin Arlene Foster. Aus der European Research Group (ERG), eine Hardliner-Gruppe um Jacob Rees-Mogg, heißt es ebenfalls, sie würden May unterstützen – auch wenn sie gegen ihren Deal gestimmt hatten. Das berichtete der Guardian. Die ERG hatte im Dezember ein parteiinternes Misstrauensvotum gegen May initiiert und war damit gescheitert.

Sollte May die Vertrauensabstimmung im Parlament überstehen, stünde Corbyn unter Druck, sich hinter die Forderung nach einem zweiten Brexit-Referendum zu stellen. Er hat diese Option nicht ausgeschlossen, aber davon abhängig gemacht, dass eine Neuwahl unmöglich ist. 

Am EU-Austritt würde die innenpolitische Neuordnung jedenfalls nichts ändern – der 29. März 2019 steht nach wie vor fest. Sofern es keine baldige neue Lösung gibt, werden die EU und Großbritannien nun ihre Pläne für das No-Deal-Szenario weiterverhanden. Das heißt, beide Seiten werden versuchen, durch einzelne Abkommen die größten Schäden für ihre Bürgerinnen und Bürger abzuwenden. Die EU und die Staaten des Binnenmarkts wollen allerdings Rechtssicherheit und kurzfristige, vorübergehende Mitgliedschaften vermeiden.

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Was kann die Regierung jetzt unternehmen?

Laut EU-Austrittsgesetz muss Mays Regierung spätestens 21 Tage nach der Ablehnung dem Parlament darlegen, wie es weitergehen soll. Das Unterhaus hat diese Frist auf drei Sitzungstage verkürzt – das wäre Montag, der 21. Januar. Aber auch hier ist unklar, ob die Regierung rechtlich gebunden ist.

Spätestens sieben Tage, nachdem ein Plan B vorgelegt wurde, muss die Regierung laut Gesetz darüber abstimmen lassen. Das wäre nach derzeitigem Stand der 31. Januar. Die Abgeordneten könnten diesen Plan B ändern und beispielsweise eine engere Anbindung an die EU fordern oder ein zweites Referendum.

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Wie stehen die Chancen für ein Zweites Referendum?

Bislang gibt es für ein zweites Brexit-Referendum keine Mehrheit im Parlament. Unklar ist zudem, welche Fragen den Wählerinnen und Wählern dabei vorgelegt werden sollten. Im Moment sind nämlich drei Forderungen denkbar: Theresa Mays Deal, gar kein Deal oder in der EU bleiben. Die Wahlkommission will Referenden nicht weiter verkomplizieren und besteht auf zwei Antwortoptionen.

Im Juni 2016 hatte sich eine knappe Mehrheit der Briten für den EU-Austritt ausgesprochen. Umfragen zufolge hat sich seitdem kaum etwas geändert. Daher ist fraglich, wie ein zweites Referendum ausgehen würde. Kritiker fürchten, eine zweite Volksabstimmung würde die Spaltung in der britischen Gesellschaft weiter vertiefen.

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Kann die Frist für den EU-Austritt verlängert werden?

Womöglich ja. Aus Brüssel heißt es, der für den 29. März geplante Brexit werde mittlerweile als sehr unwahrscheinlicher Termin angesehen. Eine “technische” Verlängerung des Austrittsprozesses bis Juli sei ein wahrscheinlicher erster Schritt. Dieser würde May Zeit geben, das Austrittsabkommen zu überarbeiten und eine Mehrheit dafür zu sichern. Sollte May “uns mitteilen, dass sie mehr Zeit braucht, um das Parlament für einen Deal zu gewinnen, wird eine technische Verlängerung bis Juli angeboten”, zitiert der Guardian einen EU-Vertreter.

Einer Verlängerung jedoch steht die Wahl zum EU-Parlament am 26. Mai im Weg. Großbritannien müsste an dieser Wahl teilnehmen, wenn es bis dahin nicht formell aus der Union ausgetreten ist. Wie die britischen Behörden jedoch so kurzfristig diese Wahl organisieren sollen und wer sich zu dieser Wahl aufstellt, ist völlig offen. Auch dürften nur sehr wenige Menschen daran teilnehmen, wenn kurz darauf ihr Land aus der Union austritt.

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Was würde ein Austritt ohne Abkommen für Großbritannien bedeuten?

Im Falle eines ungeregelten Austritts drohen gravierende Konsequenzen für Großbritannien und Teile der Wirtschaft in den EU-Anrainerstaaten. Die Briten wären von einem Tag auf den anderen nicht mehr Teil unzähliger Abkommen und Vereinbarungen. Vor allem stünden sie ohne die Freihandelsabkommen da, die die EU für ihre Mitgliedsländer abgeschlossen hat.

Der Handel würde nach den Regeln der Welthandelsorganisation ablaufen müssen. Das bedeutet, dass die Außenzölle der EU gegenüber Großbritannien als Drittstaat gelten würden. Gleichzeitig wären sofort Zoll- und Grenzkontrollen fällig, vor allem in den Häfen wie Dover und Calais.

Sowohl die EU als auch Großbritannien haben allerdings zahlreiche Vorkehrungen getroffen, um das Schlimmste zu vermeiden. Großbritannien wird sofort einseitig und freiwillig zahlreiche EU-Regulierungen einhalten, um weiterhin mit dem EU-Binnenmarkt handeln zu können. In wichtigen Bereichen wie dem Flugverkehr und der Medizinversorgung bahnt sich eine Einigung mit der EU an. Vertreter aus Politik und Wirtschaft warnen dennoch eindringlich vor einem solchen Szenario. 

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