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AfD: Machtprobe für Meuthen

“Monster EU”,
“Befreien wir Deutschland aus den Fesseln Brüssels” – so lauten die Kampfparolen
auf dem AfD-Europaparteitag, der noch bis Montag in einem Sportzentrum
im sächsischen Riesa stattfindet. Eine Galgenfrist von einer Legislaturperiode
wollte die AfD-Programmkommission der EU in ihrem Leitantrag gewähren. Gelingt
in dieser Zeit keine Reform in ihrem Sinne, forderte der Antrag den Bruch:
“Dexit” 2024.

“Reform” ist allerdings ein zu niedliches Wort. Denn was die AfD fordert, wäre
das Ende der EU, wie wir sie kennen: Abschaffung des EU-Parlaments, Ausstieg
aus dem Euro, “Europa der Vaterländer”, Schluss mit der Klimapolitik und den Russland-Sanktionen.
Es ist eine Absage an alle Suprastaatlichkeit, an die Vertiefung der Union.
Zwischenstaatliche Kooperation gern, aber keine Abgabe von Souveränität.

Keiner denkt an Großbritannien

Doch mit ihren Forderungen stößt die AfD auf ein großes Problem. Die Deutschen
sind in ihrer überwältigenden Mehrheit für einen Dexit nicht zu haben. Die
Zustimmung liegt sogar, wenn man einer EU-Umfrage glauben darf, auf einem
Rekordhoch von 79 Prozent.
Manche Redner in Riesa brachten deshalb eine
Volksabstimmung ins Spiel. Keiner von ihnen allerdings erinnerte daran, dass
inzwischen eine Mehrheit der Briten die einmal getroffene Entscheidung für den
Brexit bereut
.

Der AfD-Bundesvorstand war angesichts der EU-freundlichen Stimmung im Wahlvolk von
vornherein nicht richtig glücklich mit dem Fünf-Jahres-Ultimatum im Leitantrag. Co-Parteichef
Jörg Meuthen, zugleich Spitzenkandidat für die Europawahl, brachte deshalb
einen Änderungsantrag ein, der abwiegeln sollte: “In
angemessener Zeit” solle der Dexit stattfinden, dann allerdings “notwendig”.

Druck von zwei Seiten

Die Debatte über diesen Änderungsantrag wurde so zu einer Machtprobe für den
Bundesvorstand, speziell für Meuthen. Er steht aus zwei Richtungen unter Druck.
Auf der einen Seite droht die Beobachtung der Partei durch den
Verfassungsschutz. Sollte es dazu kommen, könnte das den Rückhalt der Partei
unter Beamten und Angestellten, den heiß begehrten bürgerlichen Kreisen, gefährden.

Auf der anderen Seite spürte
Meuthen auch jetzt in Riesa wieder innerparteiliche Kritik an der
“Distanzeritis”, mit der alle Versuche der Abgrenzung nach rechts verurteilt
werden. Speziell der sächsischen AfD steht vor Augen, dass Neugründungen von
rechts drohen können – so, wie es gerade der ehemalige sachsen-anhaltinische
Landesvorsitzende André Poggenburg angekündigt hat
.

Meuthen und Gauland haben die Machtprobe nun erst einmal gewonnen. Gauland
hatte sich in einer für seine Verhältnisse verblüffend leidenschaftlichen Rede
“gegen Eskapismus” und für eine “frohe Botschaft” im Sinne Friedrich Nietzsches
ausgesprochen: “Wir sind gute Europäer, Patrioten, Realisten statt Utopisten!”
Er bekam stehende Ovationen. Die Partei möchte offenbar raus aus der Rolle der
schlecht gelaunten Abschaffer, die “eine Bombe werfen” wollen, wie ein
Redner sagte. Er befürchtete, andernfalls werde “der Bus nach Europa ohne uns
abfahren”. Der Änderungsantrag wurde angenommen. Die AfD wird jetzt mit der
Forderung nach einem Dexit “in angemessener Zeit” in den Europawahlkampf gehen.

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