/Hans Weigand: Das Orakel hat zu schweigen

Hans Weigand: Das Orakel hat zu schweigen

Ich hätte niemals gedacht, dass ich je wieder aufs Land ziehe”, sagt der
in einer Tiroler Kleinstadt geborene Allround-Künstler Hans Weigand euphorisch: “Früher war
ich Hippie, dann Punk, jetzt anscheinend wieder Hippie.”

Weigand befindet sich mitten in der Pampa, im südlichen Burgenland unweit von Jennersdorf, nur wenige Kilometer von den Grenzen zu Slowenien und Ungarn entfernt. Das Künstlerpaar Elfie Semotan und Martin Kippenberger, das ebenso in dieser Gegend wohnte, setzte Weigand schon in den Neunzigerjahren den Floh ins Ohr, in diese Region zu ziehen. Es hat gedauert, doch vor acht Jahren kaufte er sich einen alten Bauernhof, den er seither mit einer Art von Guerilla-Taktik erweitert. Weigand ist gastfreundlich, keinem Wahnsinn abgeneigt. Seine Freunde und Kollegen dürfen im ehemaligen Schweinestall schlafen, an ihrer eigenen Kunst werken oder ihm behilflich sein. Seine “Ranch” steht auf einem einsamen Hügel, die einzigen Nachbarn sind Apfel-, Zwetschken- und Nussbäume. Und Sepp, der hundert Meter weiter Schnaps brennt und regelmäßig zum Verkosten einlädt.

Hans Weigand ist ein in seiner Gänze nur schwer fassbarer Kosmos. Dieser reicht nämlich von Originalen wie Oswald Wiener, den verstorbenen Halbbrüdern Franz West und Otto Kobalek über die Westküste zu Künstlern wie Raymond Pettibon, oder Paul McCarthy und wieder zurück zur jungen Generation nach Europa. Weigand wirkt wie ein unermüdlicher Magnet, der nicht nur unterschiedliche Genres, sondern auch verschiedenste Menschen anzieht.

Die ersten Malereien enstanden im LSD-Rausch

Selbst nennt er sich einen “geborenen Bauernschädel”, dessen Schwester in eine Akademikerfamilie geheiratet habe, und so habe er “beides zu fressen gekriegt” – angereichert mit “psychedelischen Selbstversuchen”. Drogengurus geisterten vor 50 Jahren selbst im Tiroler Hinterland herum und predigten völlig naiv den Konsum von LSD und Amphetaminen: “Es gab damals keine Erfahrungswerte, das war wahnsinnig neu und unglaublich starkes Zeug.” Bei diesen Experimenten sind seine erste Malereien entstanden.

Gerhard Crepaz, der nach wie vor die Galerie St. Barbara in Hall betreibt, war damals Dreh- und Angelpunkt für radikal innovative Kunst. Er holte auch Avantgardemusiker nach Tirol “Die 40 Leute vom Scratch Orchestra”, erinnert sich Weigand, “sind in Hall ausgeschwärmt, haben im Beichtstuhl gevögelt und sich Mikrofone in den Arsch gesteckt.” Die Wiener Aktionisten waren damals in Hall bereits ein Begriff – ebenso aber auch die RAF.

In dem Spannungsfeld, an der Grenze zwischen avantgardistischer Theorie und ihrer terroristischen Erweiterung, fieberte Weigand. Mit einem Freund ließ er scharfe Waffen von einem Schießplatz mitgehen. Bevor sie diese gegen “Bonzen” richten konnten, blühte dem LSD-Extremisten aber eine Gefängnisstrafe. Sein Drogenkonsum war aus dem Ruder geratenen, er wog nur noch 52 Kilo. Ein Psychiater legte ihm nahe, in eine Kommune mit Künstlern und indischen Yogis in die Schweiz zu ziehen. Hier lernte der damals 19-jährige Nachwuchskünstler das Druckerhandwerk von der Pike auf.

“Die Beach Boys waren dort eine Zeit lang unsere Nachbarn”, so Weigand, “und ich sagte mir noch: Oje, jetzt wohnen die Schmalzbrüder neben uns. Wir waren so arrogant, wir haben die nicht mal gegrüßt. Wir waren auf Stockhausen, La Monte Young, Krautrock, Kraftwerk.”

Von der Kommune an die Kunstakademie

Vier Jahre lang ging das Kommunenleben gut, und Weigand erholte sich von seinen “Tiroler Strapazen”. Doch dann musste er die Schweiz mangels Arbeitsgenehmigung verlassen. In Innsbruck auszusteigen war keine Option, und so fuhr er mit 250 Schilling in der Tasche weiter nach Wien. “Ich bin mutterseelenallein ohne Kontakte am Westbahnhof angekommen, hab aber vom Kleinen Café gehört. Dort hab ich schon am ersten Abend Franz West, Otto Kobalek und Hermann Schürrer, einen Lyriker mit aktionistischen Tendenzen, getroffen. Die haben mich gleich angesandelt. Der Otto um ‘an Zwonek’, eine 20-Schilling-Banknote, die sogenannte Kobaleksteuer, der Franz gleich um einen Fünfziger”. Gemeinsam sammelten sie ab nun Lokalverbot um Lokalverbot und stibitzten Schnapsflaschen in weiten, flatternden Mänteln. “Ganz am Anfang hab ich öfter im Stadtpark geschlafen”, erinnert sich das ehemalige Enfant terrible, “da waren Hippies, Sandler, ein richtiges Zeltlager.”

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