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Faschismus: Das Partygesicht des Sozialdarwinismus

Wer angesichts
des Zulaufs rechter Parteien in Europa und in Übersee das Wort Faschismus
fallen lässt, bekommt oft abwiegelnde Antworten. Man könnte den Sermon, den
dieses Reizwort auslöst, in etwa so zusammenfassen: Viele Gesellschaftskritiker
machten es sich damit einfach zu leicht. Die Faschisten seien für sie immer die
anderen. Überhaupt, Faschismus. Sei der wahre Faschismus nicht längst besiegt,
ein bizarres Phänomen des 20. Jahrhunderts, assoziiert mit Schreihälsen in Fantasieuniform? Sei es nicht blindwütiger Alarmismus und eine beispiellose
Überreaktion, die Krisen unserer heutigen Demokratien gleich als Faschismus zu bezeichnen?
Vor allem aber: Komme es nicht einer Verharmlosung des Holocaust gleich, den
heutigen Populismus mit Faschismus gleichzusetzen? Sollten wir nicht erst
einmal versuchen, in Ruhe miteinander zu reden?

Jason Stanley, Professor für Philosophie an der Yale University, hat nun einen differenzierten
Warnruf gegen dieses Gerede publiziert. Nach seinem letzten Buch How Propaganda Works (2015) hat Stanley jetzt mit How Fascism
Works. The Politics of Us and Them
im Publikumsverlag Random House eine
bislang noch nicht ins Deutsche übersetzte, glänzend geschriebene Studie über
das Revival des Faschismus in unserer Zeit vorgelegt. Sie kommt zur rechten
Zeit.

Dieses knappe
und konzise Buch ist keine Einführung in die Geschichte des Faschismus. Es ist,
neben einer Analyse jüngster antidemokratische Entwicklungen in der Welt, vor
allem ein Generalangriff auf Elemente faschistischen Denkens, die Stanley in
der rassistischen Gesellschaft der Vereinigten Staaten von Amerika
wiedererkennt. Der Philosoph lässt an der Politik der Partei von Donald Trump, den
Republikanern, kein gutes Haar. Dabei ist dem Autor bewusst, dass der
Faschismus als politische Methode in der Geschichte sehr heterogen
funktionierte. Der italienische Faschismus etwa war ein ganz anderer als der
des Nationalsozialismus. Damit hält sich Stanley jedoch nicht weiter auf. Angesichts
der neuen Konjunktur des Ultranationalismus in den USA und einer wachsenden Zahl
von Ländern in der Welt plädiert er dafür, gewisse Generalisierungen zwecks
Verdeutlichung des Problems als Gebot der Stunde zu erkennen. Dabei
konzentriert sich der Autor vor allem auf die aktuellen Verhältnisse in den USA
und deren Vorgeschichte seit dem 19. Jahrhundert.

Stanleys Band
besteht aus zehn Einzelkapiteln, die sich an verschiedenen Bausteinen
faschistischer Ideologie abarbeiten, wie sie der Philosoph (nicht nur) in der Politik
unter Trumps Präsidentschaft wiedererkennt. In politischen Systemen, die
spezifisch faschistische Methoden der Machtgewinnung und -erhaltung wiederbeleben,
stehe die Glorifizierung einer frei erfundenen, mythischen Vergangenheit im
Vordergrund. Diese nostalgische Sehnsucht nach früheren Verhältnissen, die
angeblich geregelter waren als die heutigen, werde von einer gezielten
Verwirrung, einer forcierten Rhetorik der Unwirklichkeit begleitet.

Die endlose Wiederholung von Leerformeln

Diese Nebulosität
faschistischer Sprache entsteht vor allem durch eine gezielte Verkehrung von
Begriffen. Auf bloßen Lügen oder frei erfundenen Geschichten basierende Propaganda,
wie sie in Amerika vor allem über Sender wie Fox News oder Onlineportale wie
Breitbart verbreitet wird, propagiert Donald Trump als unhinterfragbare
Wahrheit, aus der seine eigenen willkürlichen und widersprüchlichen Entscheidungen
folgen. Faktenbasierter Journalismus hingegen, wie etwa jener der New York Times, wird mit dem seiner ursprünglichen
Bedeutung beraubten Terminus “Fake-News” belegt und als “Feind des Volkes”
hingestellt. Was einst als Begriff für wirkliche Falschmeldungen in den Medien
benutzt wurde, avanciert so zum Schimpfwort, das jegliche faktengestützte
Kritik delegitimieren soll.

Stanley
veranschaulicht die Funktionsweise dieser faschistischen Rhetorik, indem er mit
Victor Klemperers Studie über die Sprache des “Dritten Reichs”, die Lingua Tertii Imperii (LTI, 1947),
daran erinnert, dass schon Adolf Hitler für eine gezielte Verarmung der Sprache
plädierte. Hitler postulierte, dass allein die Aneinanderreihung simpler Slogans
die Massen effektiv zu erreichen vermöge. Faschistische Propaganda, so argumentiert
Stanley mit Hannah Arendt, beruhe auf der endlosen Wiederholung von Leerformeln,
welche bei den Adressaten die beruhigende Illusion zeitlicher Konsistenz
erzeuge. Mit Stanley könnte man sich den begeisterten Trump-Follower auf
Twitter also als jemanden vorstellen, dessen Tag schon gerettet ist, wenn er
gleich morgens mehrere Mitteilungen lesen durfte, in denen die Begriffe “Fake-News” und “Mauer” vorkommen.

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